Brief eines ehemaligen Ford-Kollegen und Internationalisten aus Sankt Petersburg
Nichts kann uns aus dem Sattel hauen!
Ich denke, dass diese Geschichte des Kampfes für die eigenen Rechte in Russland für meine Freunde und auch für die Leser der "Roten Fahne" interessant sein wird! Ich habe an drei internationalen Konferenzen der Automobilarbeiter teilgenommen und bin ein Kämpfer für Gerechtigkeit.
Ich beginne mit dem Datum meiner Entlassung bei Ford im Jahr 2015. Im Februar 2015 war ich aktives Gewerkschaftsmitglied im Ford Motor Sollers Werk in Vsevolozhsk bei Sankt Petersburg und wurde im Zuge der Einstellung der Ford Mondeo-Produktion entlassen. Die Gewerkschaft MPRA (Überregionale Gewerkschaft der Automobilarbeiter) versuchte, meine Rechte zu verteidigen und mich im Unternehmen zu halten, aber die Klage wurde vor Gericht abgelehnt. Innerhalb von zehn Arbeitstagen kam ich zum Arbeitsamt und man begann, mir bei der Arbeitssuche zu helfen. Ich werde euch nicht mit den Details der Suche und den Demütigungen, die ich damals erlebte, quälen.
Nur eine Geschichte als Beispiel: Ich erhielt eine Arbeit als Mechanik-Ingenieur für die Bearbeitung von „ERZEUGNISSEN“ in einer Panzerfabrik. Als ich zum Vorstellungsgespräch kam, wurde mir davon abgeraten, da das Gehalt niedrig und der Arbeitstag nicht normiert ist. Aber da es nicht sehr weit von zu Hause war, Krise herrschte (Stellenangebote waren sehr rar), sagte ich, dass ich mit allem einverstanden sei. Der Betriebsleiter fragte bei der Einstellung: "Wo haben Sie gedient und können Sie einen Panzer fahren und damit schießen?“ Ich antwortete, dass ich die Grundlagen kenne und dass ich lernfähig bin. Ich lerne alles leicht. Antwort: „Nein! Was wir brauchen, ist, dass in deinem Wehrpass neben dem Zivilberuf Richtmechaniker eingetragen ist. Das brauchen wir, um Panzer zu überholen und zu testen.“ Natürlich hat er es so in die Ablehnungserklärung für das Arbeitsamt geschrieben: „Er kennt den Panzerbau nicht und kann Panzer nicht fahren.“ Auf dem Arbeitsamt lachten und weinten sie lange Zeit gleichzeitig.
Noch im selben Jahr erhielt ich eine Stelle als Chefmechaniker bei einem Tochterunternehmen der Kirow-Werke. Ich habe dort vier Monate lang gearbeitet und dann gekündigt, weil mein Gehalt nicht ausgezahlt wurde und die Arbeiter es seit letztem Jahr nicht erhalten hatten. Sie wurden mit Abschlagszahlungen bezahlt.
So kam ich zu einer österreichischen Firma. Ich bekam ein gutes Gehalt und einen Einrichter-Job als Roboter-Elektriker in einem Lagerkomplex. Es war harte Arbeit in Gefrierkammern, bei einer Temperatur von -25 Grad, um Kosten für Reparatur und Wartung des Roboters zu sparen. Ich begann, mit den Arbeitern zu sprechen und eine Aufklärungsarbeit für die Gründung einer Gewerkschaft und die Verteidigung unserer Rechte zu machen. Anfangs wurde ich verwarnt, danach bot man mir an, zu kündigen, nachdem vorab meine Genossen und Aktivisten unter verschiedenen Vorwänden entlassen worden waren.
Ich fand mich als Leitender Ingenieur eines anderen Betriebs wieder. Dort waren mir 14 Mechaniker und Elektriker unterstellt. Es waren junge und sehr bemerkenswerte Leute – Arbeiterjugend! Ich fand es toll! Nach acht Monaten, sobald ich versuchte, sie zu organisieren und zu erziehen - ich lehrte sie ihren Beruf und teilte meine reiche Erfahrung - wurde ich von der Direktorin der Anlage zu einem persönlichen Gespräch geladen. Es war ein schwieriger Dialog mit erhöhter Lautstärke, eher ein Monolog von ihr! Ende März wurden mir die Bedingungen mitgeteilt, und ich kündigte "auf eigenen Wunsch"!.
Als nächstes wurde ich als Servicetechniker in einer weiteren Firma eingestellt. Auch hier blieb ich nicht, weil ich forderte, bei Geschäftsreisen den Arbeitsvertrag nicht zu verletzen und Überstunden nach russischem Arbeitsrecht zu bezahlen. Umgehend wurde mir angeboten, auf "eigenen Wunsch" zu kündigen. ...
So kam ich 2018 zu einem russisch-israelischen Unternehmen - als Leitender Elektriker - und ging an meine Dienstpflichten. Konfrontiert wurde ich mit einer großen Fluktuation von Elektrikern, mit unmenschlicher Ausbeutung von Arbeitskräften und Verletzung der Rechte nach russischem Gesetz! Sicherheitseinrichtungen wurden abgelehnt. Daher erlitt ich am 12. November 2020 einen Arbeitsunfall an der rechten Hand: Der fünfte Finger wurde abgerissen und zertrümmert! Man wollte den Arbeitsunfall verheimlichen, zahlte zwei Monate kein Krankengeld, schüchterte ein, bedrohte. Im Mai teilten sie mir das Ende meiner Anstellung mit. Und als ich mich am 28. Oktober 2021 aus der Krankmeldung zurückmeldete, haben sie mich am selben Tag entlassen! Mit der Begründung, dass die Stelle entfallen sei. Invalidität wurde nicht anerkannt und ich legte Berufung bei der Ärztekommission ein. Das Arbeitsamt hilft bei der Vermittlung von Arbeitsangeboten, aber mit nur einer Hand werde ich bisher nicht gebraucht.
Ich gebe nicht auf. Ich werde werde alles überwinden. Ich arbeite an meiner Hand und versuche, mit dem fehlenden Finger einen Job zu finden. Das ist alles in Kürze.
An alle meine deutschen Freunde, die sich erinnern, und einfach an alle Arbeiterkämpfer für die Rechte der Werktätigen herzliche Grüße!
KEIN GRUND ZU WEINEN. Organisiert Euch!
NICHTS IM LEBEN KANN UNS AUS DEM SATTEL HAUEN!
Wer sich erinnert, das war mein Spruch auf internationalen Konferenzen. Wir sehen uns! Ich warte auf die Übersetzung des Buches „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Antikommunismus“ von Stefan Engel.