Sibirien
Trauer und Empörung im Kohlerevier Kusbass
Seit dem 25. November, dem Tag der Explosion auf dem Bergwerk Listwjaschnaja im Bezirk Belewo im Kuznezker Kohlebecken stehen die Fahnen auf Halbmast. Kollegen und ihre Familien halten Tag- und Mahnwache vorm Eingang zum Bergwerk.
Die Explosion eines Methan-Luftgemisches hat zum Tod von 51 Bergleuten, darunter Angehörigen der Rettungsmannschaft geführt. Viele weitere werden noch in Krankenhäusern behandelt.
In der ersten Meldung von Rote Fahne News (siehe hier) war noch von 52 Todesopfern die Rede. Doch ein Kollege der Rettungsmannschaft wurde noch nach Abbruch der Rettungsversuche lebend gefunden, er befindet sich jetzt auf der Intensivstation.
"Das ist Mord"
„Das ist Mord“ sagt Pawel, ein Bergarbeiter aus Kasachstan, der über seine frühere Gewerkschaftsarbeit auch die Arbeitsbedingungen im Kusbass kennt. Kollegen und Angehörige, die meist den Reportern ihren Namen nicht nennen, bestätigen diese Einschätzung. Der Konzern und seine Angestellten ließen die Kollegen bewusst auch bei höchster Gefahr weiter arbeiten, drohten mit Entlassung, wenn jemand sich weigerte. Ein Arbeiter berichtet: „Die Methan-Konzentration hatte schon vor der Tragödie 5 bis 6 Prozent überschritten. Der Grenzwert liegt bei 0,75 Prozent! Aber die Geschäftsleitung verfolgte die Politik: 'Keine Planerfüllung – kein Lohn'.
Ein anderer berichtet: „Vor ein paar Monaten war die Situation ähnlich. Die Instrumente zeigten 7 Prozent Metan an. Ich wies den Vorgesetzten darauf hin, und er sagte, 'Fangen Sie mit der Arbeit an.' Ich wiederholte: '7 Prozent'! Der Vorgesetzte sagte: 'Haben Sie ein Problem – dann gehen Sie nach Hause.'“
Eine Woche herrschte Chaos im ganzen Abschnitt, dann sank die Gaskonzentration wieder. Trotz dieser hochgefährlichen Bedingungen wollen die Kumpel dort weiter arbeiten: „Hier gibt es nichts anderes!“, sagt einer.
Bewusste Verletzung selbst der wichtigsten Sicherheitsregeln durch den Konzern
Skrupellos nutzt der Besitzer der Holding, SDS-Ugol, hierbei handelt es sich um den drittgrößte Kohleförderer und Exporteur Russlands, Michail Fedjajew, seine Macht und die Lage der auf diese Arbeit angewiesenen Bergarbeiter aus. Er steht auf Platz 177 der russischen Forbes-Liste der reichsten Leute, mit einem Vermögen von 550 Mio. Dollar. Die Bergarbeiter in dieser Mine erhalten umgerechnet 585 Euro im Monat, wovon man nur sehr schwer leben kann. Zudem werden sie nach geförderten Tonnen bezahlt, was den Arbeitsdruck zusätzlich erhöht. Zurzeit sprudeln die Gewinne des Konzerns, weil der Kohlepreis sich weltweit erhöht hat.
Die Beamten der technischen Aufsicht stellten in diesem Bergwerk im März 2021 139 Verstöße gegen die Sicherheit fest. Eine Inspektion wies ausdrücklich auf die Gefahr einer Staubexplosion hin. Trotzdem durfte die Grube weiter arbeiten. Staat, Gerichte und Industrieaufsicht decken die Monopole. Zwar wurden jetzt der Besitzer, sein Stellvertreter und der Abteilungsleiter verhaftet, ebenso zwei Mitarbeiter der Industrieaufsicht Rostechnadsor. Aber auch Verantwortliche für frühere Explosionen wurden verhaftet, dann wurden die Verfahren so lange hinausgezögert, bis wegen Verjährung Freispruch erfolgte.
Der stellvertretende Vorsitzende der unabhängigen Gewerkschaft der Bergarbeiter der russischen Föderation, Ruben Baladow, erklärt: „Belüftung? Andere Maßnahmen für die Sicherheit? Darin investierten die Unternehmen wenig, weil dadurch die Kohleproduktion nicht direkt erhöht wird.“ Vor allem weist er auf die Kraft der Bergarbeiter hin, erinnert indirekt an die mächtigen Streiks von 1989, die den damaligen bürokratisch-kapitalistischen Staat erschütterten. „Die Bergleute wissen, wie man sich organisiert“.