Lebensmittel-Lieferdienst Gorillas

Lebensmittel-Lieferdienst Gorillas

350 Beschäftigte wegen selbständiger Streiks fristlos gekündigt

Anfang Oktober hat der Besitzer des Lebensmittel-Lieferdienstes Gorillas, Kagan Sümer, 350 Kolleginnen und Kollegen in Berlin fristlos gekündigt. Auch in Leipzig wurden Kollegen fristlos entlassen - wie viele genau, ist nicht bekannt. In dem Kündigungsschreiben heißt es lapidar: „Hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich aus wichtigem Grund fristlos.“¹

Von gp
350 Beschäftigte wegen selbständiger Streiks fristlos gekündigt
Streik-Transparent (Solidarity with Santiago) am Gorillas-Warenlager in der Torstraße, Berlin-Mitte (foto: FAU Berlin - Instagram.com (CC-BY 4.0))

Gegenüber der Presse nannte Gorillas den „wichtigen Grund“: Unangekündigte und nicht gewerkschaftlich getragene Streiks seien "rechtlich unzulässig". Und weiter: "Nach intensiven Abwägungen sehen wir uns gezwungen, diesen rechtlichen Rahmen nun durchzusetzen.“2 Das ist ein politischer Angriff, der die ganze Arbeiterbewegung angeht und von ihr zurückgewiesen werden muss.

Was ist der Hintergrund?

Seit Monaten versucht ein Teil der Kurier-Fahrer von Gorillas mit Streiks bessere Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Die Fahrer müssen bei jedem Wetter innerhalb von zehn Minuten online bestellte Lebensmittel abliefern. Man kann sich vorstellen, was das für ein Stress ist. Sie fordern u. a. eine Erhöhung ihrer Löhne von 10,50 Euro auf 12 Euro, Abstellung der teilweisen Unregelmäßigkeit der Bezahlung und eine bessere Arbeitsausstattung. Weil oft nicht mal genügend Zeit für einen Toilettengang bleibt, fordern sie Zwischenpausen, außerdem eine bessere Zuteilung der Schichten und dass ihre Taschen nicht mehr wiegen als die zugelassenen zehn Kilo. Gorillas hat in Deutschland 10.000 Beschäftigte, davon 2000 in Berlin. Gorillas steht im kapitalistischen Konkurrenzkampf mit anderen Lieferdiensten wie Picnic, Flink und andere. Die verschiedenen sogenannten „Start-Ups“ kommen gerne „smart“ und „innovativ“ daher. Tatsächlich versprechen sich die Investoren daraus saftige Gewinne. Ursprünglicher Auslöser der Streiks der Gorillas-Fahrerinnen und -Fahrer war die Solidarität mit einem Kollegen, der im Juni 2021 ohne Vorwarnung fristlos gekündigt worden war, weil er einige Minuten zu spät zur Arbeit gekommen war.

Wie soll das im Kapitalismus anders funktionieren als durch Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft?

Die Verhältnisse bei Gorillas werden schöngeredet und die Ausbeutung wird geleugnet. So ereifert sich das Kapitalistenorgan Handelsblatt am 6. Oktober: „Die Lieferdienste sind längst kein Hort der Ausbeutung mehr“, denn schließlich liege der Stundenlohn der Gorillas-Beschäftigten mit 10,50 Euro über dem Mindestlohn.3 Was für ein Hohn, angesichts der steigenden Inflation. Aber egal, wie hoch der Stundenlohn ist, die kapitalistische Lohnarbeit beruht auf der Ausbeutung der Arbeitskraft der Arbeiterinnen und Arbeiter. Denn ein Arbeiter bekommt in Form des Lohnes nur einen kleinen Teil der von ihm geschaffenen Werte ausbezahlt, während der Kapitalist den weitaus größeren Teil sich unentgeltlich aneignet.

Was ist Recht?

Der Chef von Gorillas beruft sich bei seinen fristlosen Kündigungen auf das in Deutschland durch Richterrecht geregelte Streikrecht, das Streiks nur in Tarifauseinandersetzungen zwischen Unternehmerverbänden und Gewerkschaften für rechtens erklärt. Das Handelsblatt stellt sich voll auf die Seite von Gorillas: „Gorillas wirft reihenweise streikende Mitarbeiter raus – zu Recht.“ Den Streikenden wird unterstellt, ihnen ginge es „längst nicht mehr um nachvollziehbare Ziele, sondern um Krawall und Aufmerksamkeit.“ Ja, sie werden sogar rassistisch angegriffen: Die Streikenden seien „teils mit Work-and-Travel-Visum im Einsatz - und bringen Streikformen aus ihrer Heimat mit, die in Deutschland unangemessen sind.“ Das Kapitalistenblatt verrät auch gleich, was es für „angemessen“ hält: „Die bewährte deutsche Mitbestimmung eben.“ Sprich: Die Politik der Klassenzusammenarbeit und der Verzicht auf den Kampf der Beschäftigten zur Durchsetzung ihrer sozialen und politischen Interessen, demokratische Rechte und Freiheiten. Flankiert wird das von antikommunistischer Hetze: „Diese Streikwelle trifft in Berlin auf eine linke Szene, die die Streiks um ihrer selbst willen unterstützt.“ Die MLPD steht an der Seite der Streikenden und spricht ihnen ihre volle Solidarität aus.

Die Streiks der Beschäftigten bei Gorillas sind vollauf berechtigt

Sie haben keine andere Möglichkeit, als organisiert für ihre Forderungen zu kämpfen und sich dabei das Recht auf Streik zu nehmen. Vom Standpunkt der Arbeiterklasse aus ist das völlig legitim. In der Tagesschau am 6. Oktober äußert ein bürgerlicher Arbeitsrechtler die Befürchtung, dass durch eine gerichtliche Legalisierung des Streiks der Gorillas-Beschäftigten die Gewerkschaften geschwächt werden könnten. Tatsächlich geht es bei solchen Kämpfen auch darum, den gewerkschaftlichen Organisationsgrad zu erhöhen. Ob bei Airbus, bei Opel, bei VW oder bei Bosch - überall, wo Kolleginnen und Kollegen mit der Vernichtung von Arbeitsplätzen oder Stilllegungen von Werken konfrontiert sind, sind den Gewerkschaften die Hände gebunden, dürfen sie nicht zum Streik für jeden Arbeits- und Ausbildungsplatz aufrufen. Darum sind die Kolleginnen und Kollegen herausgefordert, selbständig den Streik zu organisieren. Es drohen ihnen Repressalien bis hin zur Kündigung und Schadensersatzforderung.

 

Das unterstreicht die Notwendigkeit, den Kampf um ein allseitiges und vollständiges gesetzliches Streikrecht zu führen, wie es die MLPD schon lange fordert. Konkret heißt das jetzt die Solidarität mit den gekündigten Gorillas-Beschäftigten zu organisieren: Sofortige Weiterbeschäftigung der fristlos Gekündigten! Erfüllung ihrer Forderungen durch Gorillas!

 

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