Leserbrief an die „Süddeutsche Zeitung“
„Forderungen und Beweggründe der Lokführer? Fehlanzeige!“
Der Schauspieler, Autor und Regisseur Eberhard Boeck schreibt an die „Süddeutsche Zeitung“ wegen ihrer GDL-Streikberichterstattung:
Es geht um den Streik der GDL gegen ein Bahnmanagement, das in ihrem Artikel schier als Opfer dargestellt wird. Sie zitieren den Bahnvorstand Seiler, der das Streikvorhaben mit den Worten geißelt: "Letztlich ist das eine Attacke auf das ganze Land".
Es wäre angemessen für eine solche Berichterstattung zu einem Thema, das freilich auch viele Bahnkunden und Leser und Fernsehzuschauer bewegt, etwas über die Forderungen und die tatsächlichen Beweggründe der Lokführer zu erfahren. Leider auch in der Süddeutschen Zeitung: Fehlanzeige. Aber "Attacke auf das ganze Land"? Die DB und ihr Hauptaktionär die Bundesregierung attackieren dieses Land und seine Bahnkunden seit Jahren! Eine heruntergefahrene Infrastruktur, Personalabbau mit den entsprechenden Schwierigkeiten neues Personal zu gewinnen, dann 30 Milliarden Bundesgeld für die Regeneration in 20 oder 30 Jahren - aber in 23 Staaten, von Großbritannien bis Bangladesch... 200 Unternehmen aufgekauft oder neu gegründet.
Der Widerspruch zwischen globalem Größenwahnsinn und deutscher Bahnrealität bewegt, erzürnt viele Beschäftigte bei der DB und motiviert, abgesehen von materiellen Forderungen, einen solchen Streik zu wagen. Was fordert die GDL für ihre Mitglieder: Vom 1. April 2021 bis 1. April 2022 nur 1, 4 Prozent, die restlichen 1,8 Prozent erst nach einem weiteren Jahr. Statt der Laufzeit von 24 Monaten will die DB auf 40 Monate strecken. Die GDL verlangt für ihre Mitglieder dazu 600 Euro Corona-Prämie. Das wäre der Betrag, der im Tarifvertrag mit der Gewerkschaft ver.di für den Öffentlichen Dienst vereinbart wurde.
Das DB-Management lehnt diese Forderung rundweg ab. Die Deutsche Bahn kein Öffentlicher Dienst? Da ist auch das Thema Betriebsrente, die zum Ende 2020 gekündigt wurde. Die GDL fordert die Weiterführung dieser Zusatzrente, da ginge es um monatliche 100 bis 150 Euro … usw. Natürlich ist da auch der Widerspruch zur größeren EVG und das Problem des Tarifeinheitsgesetzes von 2015, damals gegen die GDL und Cockpit gerichtet, mit der vorgeschobenen (scheinheiligen?) Begründung, der jeweils mitgliederstärkeren Interessenvertretung zu dienen. Die Mitglieder der EVG sind vor allem in den Verwaltungen von etwa 300 Tochterunternehmungen beschäftigt, die Führungspersonen der EVG sind im Aufsichtsrat der DB vertreten, ihr Boss stellvertretender Aufsichtsratvorsitzende. ...