Streiks bei Amazon

Streiks bei Amazon

Gewerkschaftsarbeit mit langem Atem gefragt

Diese Woche gab es erneut einen 24-stündigen Streik bei Amazon in Bad Hersfeld. Hauptziel ist die Anerkennung des Tarifvertrags für den Einzel- und Versandhandel sowie eine Lohnerhöhung um 4,5 Prozent.

Von fh
Gewerkschaftsarbeit mit langem Atem gefragt
Transparent einer Streikation bei Amazon in Rheinberg im letzten Jahr (rf-foto)

Jeff Bezos, Multimilliardär und Gründer von Amazon, ist am gleichen Tag, an dem der Streik stattfand, zu einem Kurztripp ins Weltall abgehoben. Er gilt inzwischen als reichster Mensch der Welt und fühlt sich offenbar allmächtig.

 

Im Jahr 2020 machte Amazon weltweit einen Reingewinn von über 21 Milliarden Dollar. Erarbeitet haben diesen Gewinn die mittlerweile über 1,3 Millionen Beschäftigten weltweit. Allein im Jahr 2020, als Amazon zu den Krisengewinnern des Corona-Jahres gehörte, wuchs die Zahl der Beschäftigten um 500.000 weltweit. In Deutschland sind es mittlerweile über 25.000 Beschäftigte an über 40 Standorten.

 

In den letzten Jahren wuchsen die Proteste und Kampfaktionen von Amazon-Beschäftigten sowie ihre internationale Zusammenarbeit. Es gibt nicht nur in Deutschland immer wieder Streiks für höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und Gesundheitsschutz. Darauf reagierte Amazon teilweise mit Kündigung von kritischen Kolleginnen und Kollegen, die zum Beispiel über ihre Angst vor Corona-Ansteckung klagten.

 

Amazon erklärt regelmäßig, die Streiks hätten keinerlei Wirkung und die große Mehrheit der Beschäftigten sei zufrieden. Die Streiks in Deutschland haben aber immerhin bewirkt, dass die Löhne in den letzten Jahren um 20 Prozent gestiegen sind und zusätzlich Weihnachtsgeld und ein Gesundheitsmanagement eingeführt wurden.

 

Vor allem aber entwickelt sich die Organisiertheit der Belegschaft. Christian Krähling, der leider viel zu früh verstorbene Streikführer in Bad Hersfeld, erklärte im Juli 2020 gegenüber der Roten Fahne: „Für uns sind Streiks immer ein Gradmesser, wie weit wir mit der Organisierung der Belegschaft gekommen sind. Und da war unser Streik ein Fortschritt, die Beteiligung wurde gesteigert.“

 

Jeff Bezos und die Führung von Amazon sind sich sehr bewusst, dass ihnen die größte Gefahr vom kämpferischen internationalen Zusammenschluss der Arbeiterinnen und Arbeiter droht. Sie fahren eine Doppelstrategie um das zu verhindern. Auf der einen Seite machen sie Zugeständnisse und eine entspechende geschickte Propaganda. Christian Krähling: „Amazon imitiert uns inzwischen und lässt mit jedem neu gegründeten Standort auch gleich einen Betriebsrat wählen, der dann mit entsprechend gefügigen Leuten besetzt ist. Und dann sagt Amazon, Gewerkschaften brauchen wir nicht, das machen wir alles mit unserem Betriebsrat aus.“1

 

Auf der anderen Seite organisieren sie eine extreme Überwachung der Beschäftigten und bekämpfen systematisch jeden Ansatz gewerkschaftlicher Organisierung. Dazu haben sie unter anderem die berüchtigte Agentur Pinkerton engagiert, die auf die Unterdrückung von Gewerkschaftsarbeit und politischer Betätigung spezialisiert ist. Amazon hat per Anzeige Spezialisten aus Geheimdiensten gesucht um „gewerkschaftliche Bedrohungen abzuwehren“. Im Standort Warschau sind Detektive aufgeflogen, die zur Bespitzelung der Belegschaft eingeschleust waren. Durch befristete Verträge mit nur drei Monaten Laufzeit versuchen sie kritische Kolleginnen und Kollegen auszusieben. Allerdings wird es immer schwerer, Leute zu finden, die unter diesen Bedingungen bei Amazon anfangen und die Fluktuation liegt bei etwa 150 Prozent im Jahr.2

 

Im April ist bei Amazon in Bessemer, Alabama (USA) der Versuch der Handels-Gewerkschaft RWDSU gescheitert, erstmals in einer „Gewerkschaftswahl“ über 50 Prozent der Beschäftigten für die Gewerkschaft zu gewinnen - und damit die Anerkennung durch Amazon. Die Gewerkschaft hatte mit großem Aufwand vor dem Betrieb Werbung betrieben. Mit dieser Methode kommt man gegen die Einschüchterung und Manipulierung durch Amazon nicht an. Notwendig ist, die gewerkschaftliche Selbstorganisation der Beschäftigten langfristig von innen aufzubauen, durch systematische Aufklärungs- und geschickte Organisationsarbeit, die sich auf alle Bereiche des Betriebes ausdehnt, verbunden mit sich steigernden Kampfaktionen und der Einbeziehung der Familien und des Wohnumfelds. Die große Fluktuation wird so auch zur Chance, dass immer neue kämpferische Leute in den Betrieb kommen.

 

Die Millionen Beschäftigten in der Logistik sind ein wichtiger und zunehmend kämpferischer Teil des internationalen Industrieproletariats. Das zeigt auch der Bericht über den Streik beim Lieferdienst „Gorillas“ im aktuellen Rote Fahne Magazin 15/2021 (es kann hier bestellt werden). Die MLPD misst der Gewinnung der Beschäftigten dieses Bereichs wachsende Bedeutung bei. Wer das unterstützen will und sich nicht auf den Kampf um Verbesserungen innerhalb des Kapitalismus beschränken, sondern für eine sozialistische Gesellschaft kämpfen will, ist bei ihr herzlich willkommen!