Bildbetrachtung

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Menzel malt das Eisenwalzwerk - aktualisiert

Im April starteten wir das neue Format "Bildbetrachtung auf Rote Fahne News". Es bietet den Leserinnen und Lesern eine Möglichkeit, sich die Welt der Bilderkunst zu erschließen.

Von js / cw
Menzel malt das Eisenwalzwerk - aktualisiert
Das Eisenwalzwerk, 1872–1875 - Alte Nationalgalerie (Foto: Wikipedia)

Die Betrachtungen zeigen: seit es Herrschende und Beherrschte gibt, gibt es keine Kunst, die nicht mehr oder weniger offen den Interessen einer bestimmten gesellschaftlichen Klasse oder Schicht dient.

 

Und jetzt zu "Menzel malt das Eisenwalzwerk"

Adolf Menzel (1815 - 1905) ist ein vorzüglicher Künstler, sehr begehrt, verdient prächtig. Der Adel beauftragte ihn für Preußens Gloria Schlachtenbilder zu liefern – künstlerisch oft mittelmäßig. Richtig gut ist er, wenn er Neues wagt. Er gehört zu den wenigen Künstlern in Deutschland, die damals Arbeiter darstellen. 1872 bekam Menzel von dem Bankier Adolph von Liebermann den Auftrag, ein großes Bild mit moderner Industrie zu schaffen. Das Ölgemälde gilt als die erste größere Industriedarstellung in Deutschland.

Schildert Herstellung von Eisenbahnschienen

Das Bild schildert die Vorgänge bei der Herstellung von Eisenbahnschienen in der Laurahütte in Schlesien. Im trüben Tageslicht blickt man auf die erste Walze eines langen Walzenstranges, das aus dem Dampfhammer die Luppe (das weiß glühende Eisenstück) aufgenommen hat. Sie wird durch fünf Arbeiter bearbeitet. Zwei Arbeiter packen sie mit großen Sperrzangen an, zwei weitere wirken mit einer mächtigen Eisenstange auf sie ein, ein fünfter kommt mit seinem Instrument dazu. Hinter der Maschine aufgestellte Werkleute geben dem Eisen die Richtung. Die Decke, mit Dampf und Rauch zeigt kühle Farbtöne. Unten wird mit der Glut alles in warme Farben getaucht und die Gesichter der Arbeitenden zeigen Lichtreflexe. Menzel schafft eine realistische und verdichtete Wiedergabe der harten und gefährlichen Arbeit, die viel Können und Erfahrung erfordert.

Ausdruck der erstarkenden Arbeiterbewegung

Das Gemälde ist auch Anklage der miserablen Arbeitsbedingungen, wenn beispielsweise Arbeiter direkt am Arbeitsplatz essen müssen, beim Gestank der Walzmaschinen. Aber vor allem ist es Ausdruck der erstarkenden Arbeiterbewegung. Menzel hat die Arbeiter als selbstbewusste Menschen gekennzeichnet, die stolz sind auf ihre Fähigkeiten und die den Wert ihrer geleisteten Arbeit kennen und deren Kraft aus der Kollektivität erwächst. Menzel spiegelt dem Betrachter das reale Leben im Bild – hier die neuen Produktivkräfte der Schwerindustrie - statt Preußens Ruhm oder romantischer Idylle. Er folgt damit der Objektivität der Betrachtung - einem Element der materialistischen Weltanschauung.

Moderne Zyklopen

Die Gemäldegalerie gibt dem Bild den Beinamen „Moderne Cyclopen“ - Figuren, die der griechischen Sagenwelt entlehnt sind und die Gehilfen des Schmiedegottes darstellen. Ja: Das Bild vermittelt die ungeheure Energie, die neuen Möglichkeiten, die ab jetzt mit der neuen Großindustrie die Menschheitsgeschichte prägt. Und ihre praktischen Schöpfer sind die Arbeiter, das Proletariat, die hier neue Erkenntnisse über die Gesetzmäßigkeiten der Natur anwenden, um Naturstoffe auf dem Niveau moderner Industrie formen, verwandeln, dienstbar machen – für Wenige.

 

Zwischen 1871 und 1873 entstanden etwa 928 Aktiengesellschaften. Hauptprofiteure waren die Eigner der Eisenbahn, der Stahl-, Kohle- und Maschinenbauindustrie. Die große Industrie erzeugt Millionäre, die „an die Stelle der mit religiösen und politischen Illusionen verhüllten Ausbeutung, die offene, unverschämte, direkte, dürre Ausbeutung gesetzt“ hat (Kommunistisches Manifest, Marx-Engels Werke, Band 4, S. 465)

 

Die im Bild dargestellte Leistung lässt den Betrachter entweder freudig ahnen - oder aber wie die Ausbeuterklasse fürchten: die entwickelte, organisierte Kraft der Ausgebeuteten kann von ihnen auch genutzt werden für ihre Selbstbefreiung. 1863 wurde der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein gegründet, 1869 die Sozialdemokratische Arbeiterpartei, die sich 1875 zur Sozialistischen Arbeiterpartei vereinten.

 

Das Bild bei Google Arts and Culture mit Zoom-Funktion für die Betrachtung von Details