Bildbetrachtung

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Velazquez und die Übergabe von Breda

Dies ist die dritte Folge der neuen Serie "Bildbetrachtung auf Rote Fahne News". Sie bietet den Leserinnen und Lesern eine Möglichkeit, sich die Welt der Bilderkunst zu erschließen.

Von js / cw
Velazquez und die Übergabe von Breda
Velazquez und die Übergabe von Breda - das Original hängt im Museo del Prado in Madrid

Die Betrachtungen zeigen: seit es Herrschende und Beherrschte gibt, gibt es keine Kunst, die nicht mehr oder weniger offen den Interessen einer bestimmten gesellschaftlichen Klasse oder Schicht dient.


Velazquez (1599 -1660), ein vorzüglicher Hofmaler am spanischen Hof, bekam von seinem Chef Philipp IV 1635 den Auftrag, ein Schlachtenbild für sein neues Schloss zu malen. Solche Bilder sollten seinen Ruhm stärken und Velazquez deshalb den Sieg gegen die aufständischen Niederländer beim Kampf um Breda 1625 verherrlichen.

 

Die Belagerer der Stadt Breda waren internationale Söldnertruppen unter dem spanischen Heerführer Spinola. Auf die Befestigungsanlagen der Stadt wurde aber kaum geschossen. Die niederländische Bevölkerung sollte ausgehungert werden. Nach zehn Monaten mussten die niederländischen Truppen nachgeben. Sie verhandelten, was Spinola gerade recht war: da unter seinen Söldnern eine Seuche ausgebrochen war, gewährte er den Niederländern unbehelligten, bewaffneten Abzug.

 

Wie sollte Velazquez diese wenig ruhmreiche „Schlacht“ irgendwie verherrlichen? So ging es: er legte den Horizont des Bildes sehr hoch. Rauch steigt bis zum Himmel hoch. Die Stadt mit den Festungsanlagen liegt links außerhalb des Bildes. Das sieht einigermaßen nach einer großen Schlacht aus. Im Mittelpunkt des Gemäldes ist die Schlüsselübergabe der Holländer dargestellt. Spinola wirkt sehr gönnerhaft und mit spanischer Grandeza. Seine Offiziere schauen dem Spektakel zu, während seine Söldner weg schauen und nicht mal die Hüte ziehen. Sie sind sauer, weil sie nicht plündern durften.

 

Auffällig: Links sind die Holländer im lockeren Haufen dargestellt. Sicherlich, sie sind abgekämpft, wirken aber nicht mutlos. Ein mit einem Gewehr bewaffneter junger Soldat schaut ganz selbstbewusst den Betrachter an. Er strahlt regelrecht Hoffnung aus. Auf der anderen Seite hinter Spinola ist ein Pferd groß zu sehen. Es streckt seinen dicken Hintern in Richtung Spinola. Haben die Spanier trotz der gewonnenen Schlacht die „Arschkarte“ gezogen? Steht denn Velasquez auf der Seite der „Verlierer“, der Niederländer? Dazu passt, dass - rechts außen – wohl der Künstler selbst (ebenso wie der junge holländische Soldat) den Betrachter anschaut und den Hut nicht gezogen hat; ein deutliches Zeichen der Verweigerung des Respekts vor dem Sieger. Aber warum?

 

Velasquez hat wohl geahnt, was wir heute wissen: Spanien war damals die europäische Großmacht, aber schon auf dem absteigenden Ast. Und mit der Übergabe der Stadt Breda war nur eine „Schlacht“ gewonnen – nicht der Krieg. Ja klar: Wer den Sieg nicht sichern kann, hat auch nicht gewonnen! Zu Beginn des 17. Jahrhunderts standen sich in Europa zwei feindliche Mächtegruppen gegenüber: An der Seite der Großmacht Spanien stand der Papst, die deutschen Habsburger und die geistlichen Feudalherren in Deutschland. Sie stemmten sich gegen den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt: Frankreich, England und die Niederlande erstarkten auf der Grundlage der voranschreitenden Produktion und des Handels. Die verheerende kriegerische Auseinandersetzung der beiden Mächte-Gruppen führte zum Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648).

 

Die Niederlande waren das erste Land, in dem sich die aufstrebende bürgerliche Klasse ihren nationalen Staat erkämpfte. Und im „Westfälischen Frieden“ von 1648 wurde das anerkannt und Breda den Vereinigten Niederlanden zugesichert. Befreit von der spanischen Knechtschaft erblühte hier Handel und Gewerbe. Amsterdam wurde zeitweise Haupthandelsplatz Europas.