Zum 100. Geburtstag von Erich Fried
Mehr nur als ein „Stören-Fried“
Erich Fried, einer der bekanntesten Literaten der Nachkriegszeit, wurde am 6. Mai vor 100 Jahren in Wien geboren. Ihn auf seine berührenden Liebesgedichte zu reduzieren, würde allerdings seiner Bedeutung nicht gerecht. Genau so wenig wie die Bezeichnung „Stören-Fried“, mit der ihn seine Gegner zu verunglimpfen versuchten und sein Werk mit Zensur belegten.
"Stören-Fried", eine Qualifizierung, die Fried selbst eher als Ehrentitel empfand: Er wollte die Ruhe der Herrschenden stören. Denn er hatte sein Leben und seine Kunst bewusst dem Kampf gegen Faschismus, Rassismus und Vertreibung gewidmet. Sein Einsatz und seine Art der künstlerischen Verarbeitung der Wirklichkeit verfolgte das Ziel, wie er es selbst einmal formulierte: „Auch schon Marx hat sehr deutlich gesagt, daß es nicht genügt, unterdrückt zu werden und ausgebeutet, man muß auch klassenbewußt werden, um was zu tun. Ich habe immer Sprüchlein geschrieben, daß es den Armen zu wünschen wäre, daß sie im Kampf gegen die Reichen so beständig, so intelligent und so bewußt sind wie es die Reichen im Kampf gegen die Armen sind.“¹
Zu seiner eigenen Bewusstheit hatten seine Erfahrungen in den Jugendjahren beigetragen. Als Kind schon erlebte er die damaligen Klassenauseinandersetzungen in Wien, wie 1927 den Blutigen Freitag. Einen Zusammenstoß von demonstrierenden Arbeitern mit der Polizei, bei dem 86 Arbeiter ihr Leben verloren. Unmittelbar bekam er die Folgen des wachsenden Antisemitismus nach dem Anschluss Österreichs 1938 an das faschistische Deutschland zu spüren. Der Tod des Vaters, der an den Folgen der Folter durch die Gestapo starb, veränderte grundlegend das Leben des 17-Jährigen. Er fasste den Vorsatz, Schriftsteller zu werden, um in seinen Schriften und Gedichten Partei für die Unterdrückten zu ergreifen. Er unterstützte den vietnamesischen Befreiungskampf gegen den US–Imperialismus, was ihm von vielen seiner Schriftstellerkollegen wie Günter Grass angekreidet wurde.
Durch seine Unterstützung des palästinensischen Befreiungskampfes gegen die Besetzung und Unterdrückung durch den israelischen Staat macht er sich bis heute viele Feinde. Ausgerechnet Fried, der als 17-jähriger wegen seiner jüdischen Herkunft vor den Nazis nach England flüchten musste, wird wegen seiner Kritik am israelischen Staat des „Antisemitismus“ bezichtigt. Es lohnt sich also, Erich Fried neu oder wieder zu entdecken!