Bildbetrachtung auf "Rote Fahne News"
Bergbau und Bergleute auf dem Annaberger Altar - aktualisiert mit Link auf größere Ansicht
Heute vor vier Wochen starteten wir das neue Format "Bildbetrachtung auf Rote Fahne News". Es bietet den Leserinnen und Lesern eine Möglichkeit, sich die Welt der Bilderkunst zu erschließen.
Die Betrachtungen zeigen: seit es Herrschende und Beherrschte gibt, gibt es keine Kunst, die nicht mehr oder weniger offen den Interessen einer bestimmten gesellschaftlichen Klasse oder Schicht dient. Hier der Link zum ersten Artikel der Serie, der Albrecht Dürers "Ritter, Tod und Teufel" gewidmet war.
Heute: Hans Hesse und der frühkapitalistische Annaberger Altar
Ende des 15. Jahrhunderts beauftragte die Bergknappschaft von Annaberg den Künstler Hans Hesse (1470 – 1539), den Annen-Altar in Annaberg zu gestalten. Er arbeitete daran von 1497 bis 1521. Auf der Rückseite dieses Altars schildert er das harte Leben der Bergleute unter Tage und an der Luft. Zu sehen ist eine der frühesten Darstellungen der Technik des Bergbaus. In genauer Bildsprache ist die ingenieurtechnisch ausgeklügelte „Wasserkunst“ zur Entwässerung der Gruben, des Transportes von Bergleuten, Erz und Abraum zu sehen.
Er beschäftigt sich mit der exakten Darstellung der Kauen über den Schachtmündungen, der Luftschächte wie auch des Zusammenspiels der Gewerke. Natürlich darf der Bezug zum Glauben nicht fehlen, bleibt aber eigentlich eine Nebenseite: Ein Verkündigungs-Engel und die Gestalt des Propheten Daniel. Dessen biblische Errettung aus der Löwengrube nahmen die Bergleute vor 500 Jahren als Hoffnung für das eigene Überleben in den Gruben.
Die Bergleute, als der damals entscheidende Fortschritt der Produktivkräfte, stehen selbstbewusst im Mittelpunkt. Man erkennt die Steiger, Hauer, Huntschlepper, Zimmerleute, Haspelknechte, Erzklopfer, Schmiede und Münzpräger. Wir sehen den Erzwäschern zu und entdecken zwei Frauen. Diese Figuren gelten als bisher erster (künstlerischer) Beleg der frühindustriellen Frauenarbeit im 16. Jahrhundert.
Im sächsischen Annaberg wurde vor allem Silber in großem Stil abgebaut. Hier entstand eines der frühen Zentren der kapitalistischen Produktion. Die Bergarbeiter kamen in großer Zahl aus Familien abhängiger Bauern. Jetzt waren sie frei von feudalen Abhängigkeiten, aber auch frei von Besitz an Produktionsmitteln. Sie hatten nur ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Diese Arbeiter waren in ihrer Stellung im Produktionsprozess und in ihrer sozialen Lage als Lohnarbeiter relativ gleichartig. Auf dieser Basis entwickelte sich zunehmend ein Gemeinschaftsgefühl und ein wachsendes Selbstbewusstsein, das sich in ersten knappschaftlichen Zusammenschlüssen äußerte. Diese spiegelt sich auch in dem Annaberger Altar.
Der Bergbau im Erzgebirge spielte eine bedeutende Rolle bei der Herausbildung des neuen gesellschaftlichen Widerspruchs von Kapitalisten- und Arbeiterklasse. Die harte und unfallträchtige Arbeit brannte den Bergleuten ein: Reich und mächtig sind die Herren geworden, die Grubenbesitzer und der sächsische Fürstenhof, während sie arm blieben.
Ein Bergknappe schaffte pro Schicht in 14 Stunden zwei Zentimeter Vortrieb. Ab 1509 durfte laut Bergordnung schon im Dreischichtsystem abgebaut werden. In Annaberg streikten deshalb 1498 ca. 2400 Bergarbeiter. Zwei Jahre später musste die Schicht von 9 Stunden auf 8 Stunden verkürzt werden. In ihrem Zusammenschluss, ihren Kämpfen zeigt sich bereits, dass die Arbeiterklasse keineswegs die „leidende Klasse“ ist. Marx und Engels fassen im 19. Jahrhundert zusammen: Die Bourgeoisie produziert mit der Entwicklung der großen Industrie vor allem ihren eigenen Totengräber. (Marx-Engels Werke Bd. 4, Kommunistisches Manifest, S. 474)
Hier kann man die Abbildung mit Zoom vergrößert ansehen und die Details einzeln betrachten