Diktatur der Monopole
Warum zum Teufel kriegt Deutschland die Pandemie nicht in den Griff?
"No-Covid ist eine schöne Vorstellung. Aber sie funktioniert nur als Gedankenexperiment. Wir werden lernen müssen, mit dem Virus zu leben", so offenherzig wie menschenverachtend äußert sich der Präsident des BDI (Bundesverband der deutschen Industrie) Siegfried Russwurm am Samstag in der Frankfurter Rundschau.
Was im Klartext auch heißt: "Wir müssen lernen, an dem Virus zu sterben." Millionen Menschen haben weltweit durch die Corona-Pandemie ihr Leben verloren. In Deutschland sind es bald 80.000. Doch die deutschen Großkonzerne, insbesondere die internationalen Übermonopole, weigern sich hartnäckig, wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Der zweiten sowie der dritten Welle gingen Forderungen der Monopolverbände voraus, auf keinen Fall die Industrieproduktion einzuschränken. Stattdessen forderten sie, dass die Arbeiter und Angestellten sich doch gefälligst in ihrem Privatleben zügeln sollen.
Warum sind die Monopole nicht mal zu kleinsten Maßnahmen bereit?
Man fragt sich: warum das Ganze? Ist nicht Corona nach Lesart der Regierung die Ursache für die Weltwirtschaftskrise? Wäre es nicht im Interesse aller, auch der Monopole, diese Krise zu überwinden? Und warum sind die Monopole trotz Rekordgewinnen nicht mal zu kleinen Maßnahmen wie einem freien Gründonnerstag, einem kurzen schlagkräftigen Lockdown oder einem systematischen Testen bereit? Sicher streben die Monopole keine unkontrollierte Entfaltung der Corona-Pandemie an. So fordern sie, dass am besten Tag und Nacht geimpft werden müsse, auch am Wochenende. Doch zu den nötigen Maßnahmen in ihren Betrieben, um das Corona-Virus nachhaltig zu BESIEGEN, sind die Monopole in Deutschland nicht bereit.
Wesentlicher Hintergrund ist der immens verschärfte Konkurrenzkampf angesichts der anhaltenden Weltwirtschafts- und Finanzkrise. Die Industrieproduktion ging in Deutschland im Jahr 2020 um 10,8% zurück, das Bruttoinlandsprodukt um 4,9%. China hat dagegen massiv aufgeholt. Die USA wollen dies nicht weiter zulassen. Nachdem die Industrieproduktion in Deutschland im zweiten Halbjahr 2020 wieder leicht anzog, ist der Rückgang im Januar und Februar 2021 für Monopolvertreter "enttäuschend". Die deutschen Monopole wollen nicht nur nicht weiter zurückfallen, sondern ringen selbst um die Poleposition.
Menschenverachtender Zynismus - und volkswirtschaftlich geht die Rechnung auch nicht auf
Der Redakteur der Frankfurter Rundschau fragt Herrn Russwurm: "Zuletzt wurden Forderungen nach einem kurzen, aber harten Lockdown inklusive Betriebsschließungen wieder lauter. Was wäre daran so schlimm?" Russwurm, der auch Chef des Aufsichtsrat bei ThyssenKrupp ist, klagt sein Leid: "Vier Wochen Lockdown in der Industrie bedeuten viele Wochen mehr Produktionsausfall. Das könnte uns leicht das komplette Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr kosten – und wir würden dann vom Absturz im vergangenen Jahr nichts wieder aufholen." Tja, und das zu verhindern hat nunmal Vorrang vor der Gesundheit der Bevölkerung.
An Zynismus und Monopol-Egoismus kaum zu überbieten. Abgesehen von der Menschenverachtung geht die Rechnung auch volkswirtschaftlich nicht auf. Die anhaltende Corona-Pandemie kostet Produktivkraft, wird massenhaft kleine und mittelständische Betriebe in die Insolvenz treiben, vernichtet kleinbürgerliche Existenzen und katapultiert zahlreiche Arbeiterinnen und Arbeiter in die Arbeitslosigkeit. Die Staatsverschuldung wächst ins Unermessliche. Doch was kümmert das die Monopole, wenn ihre Profite sprudeln?
Monopole profitieren von der Pandemie
Sie konnten Unmengen staatlicher Subventionen kassieren, was eine gigantische Umverteilung bedeutet. Von 167 Mrd. Euro staatlicher Subventionsprogramme gingen 100 Mrd. Euro direkt in die Taschen der Monopole. Berühmt geworden ist das Beispiel von Daimler, dessen Rekordprofite auch auf 900 Millionen Euro staatliche Gelder zurückgehen, die sie nun ohne mit der Wimper zu zucken zu einem Teil in erhöhte Dividenden an ihre Aktionäre auszahlten.
Russwurm lässt daran keine Kritik zu. Dreist geht er in die Offensive: "Ich halte es für falsch, den Unternehmen zusätzliche Belastungen aufzubürden. Was können wir als Gesellschaft tun, um die Industrie zu unterstützen? Das wäre die richtige Frage. Die würde ich in der öffentlichen Debatte gern öfter hören." Typisch kapitalistische Denkweise. Im Sozialismus dient die Industrieproduktion der ganzen Gesellschaft.