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Albrecht Dürer: „Ritter, Tod und Teufel“

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Von js / cw

Der Kupferstich „Ritter, Tod und Teufel“ ist eines der beliebtesten Meisterblätter von Dürer. Stolz und in voller Rüstung reitet ein Ritter zu einer hoch aufragenden schlossartigen Burg. Vor ihm ein Totenkopf, unter dem Pferd eine Eidechse, die wie ausgetrocknet aussieht. Die Flora wirkt wie abgestorben. Surreal gespensterhaft ragen die beiden Gestalten Tod und Teufel hinter dem Ritter mit seinem Hund auf. Sie geben der unwirklichen Szene die Atmosphäre eines Traums, in dem die Zeit verrinnt. Gevatter Tod zeigt dem Ritter, dass seine Zeit abläuft. Der Teufel ist sein Begleiter.

 

Der Ritter mit Pferd ist einem italienischen Reiterstandbild nachempfunden. Dürer hat solche bei seiner Reise nach Italien gesehen. Aus dem Kontrast zwischen konstruiertem Reiterstandbild und den improvisierten Spukgestalten zieht der Stich seinen Reiz. Besonders lebendig das Bein-Gewimmel im unteren Drittel.

 

Die idealistischen Kunstbeschreibung, die in den Schulen meist vermittelt wird, nennt diesen Stich auch gerne „Ritter trotz(t) Tod und Teufel“. Als habe Dürer damit zum Ausdruck bringen wollen: „Sei dir der Sterblichkeit bewusst“ - also eine zeitlose Mahnung, dass jeder Mensch einmal sterben muss. Damit wird aber die Haltung und Aussage Dürers verfälscht und sein Schaffen von den geschichtlichen Umständen losgelöst.


Der Kupferstich ist in Wirklichkeit gegen den untergehenden parasitären Ritterstand gemünzt, dessen Zeit abläuft - neue Zeiten kündigen sich an. Albrecht Dürer stellte sich gegen die Ritter, die ihr Schmarotzerleben auf Kosten der Arbeitenden mit allen Mitteln erhalten wollten. Mit dem Bild von 1513 zeigt er uns, dass er ein Gespür für seine Zeit hatte, in der sich der große Bauernkrieg von 1525 in Vorläufen und Vorkämpfen bereits zeigte. Dürer war volksverbunden und trat parteilich und selbstbewusst für die fortschrittlichen Teile des Bürgertums der Städte ein.


Friedrich Engels erklärt, dass der „Fortschritt der Industrie ... die Ritter überflüssig gemacht“ hat. „Das Geldbedürfnis der Ritterschaft trug zu ihrem Ruin bedeutend bei. Der Luxus auf den Schlössern, der Wetteifer in der Pracht bei den Turnieren und Festen, der Preis der Waffen und Pferde stieg mit den Fortschritten der gesellschaftlichen Entwicklung, während die Einkommensquellen der Ritter und Barone wenig oder gar nicht zunahmen. Fehden mit obligater Plünderung und Brandschatzung, Wegelagern und ähnliche noble Beschäftigungen wurden mit der Zeit zu gefährlich.“ („Der deutsche Bauernkrieg“, MEW Bd. 7, S. 330 ff.)


Albrecht Dürer lebte in einer Zeit stürmischer Entwicklung der Produktivkräfte im Bergbau und in anderen Bereichen der Wirtschaft. Dafür bedurfte es neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse über die Natur und praktisch anwendbares Wissen. Das erforderte die Loslösung von der geistigen Vormundschaft der Papstkirche und ihres wissenschaftsfeindlichen und den Fortschritt hemmenden feudal-kirchlichen Weltbildes. So entwickelte sich in Mitteleuropa der Humanismus, der den Menschen und seine Fähigkeit die Welt zu erkennen in den Mittelpunkt stellte. Dürer trug mit seinem künstlerischen Schaffen, mit mathematischen, anatomischen und geographischen Studien zur Welterkenntnis und zur Verbreitung der neuen Ideen bei.