Berlin
Mieterschutz und Sozialismus
In Berlin gibt es eine Unterschriftensammlung, die Wellen schlägt. "n-tv" titelte dazu am 25. Februar: "Volksentscheid über Enteignungen: Ist das noch Mieterschutz oder schon Sozialismus?" Was so reißerisch aufgemacht daher kommt, ist in Wirklichkeit ganz anders. Immobilienkonzerne mit mehr als 3000 Wohnungen sollen enteignet werden. Viele Berlinerinnen und Berliner engagieren sich dafür und die Wohnungs- und Mietenfrage ist ein brennendes Thema. Aber der Reihe nach:
Zum einen: Schon Marx oder Engels erklärten: Enteignung ist kapitalistischer Alltag – seit Bestehen des Kapitalismus expropriieren (enteignen) die Kapitalisten tagtäglich ihre Konkurrenten, indem sie sie in den Bankrott treiben, ihre Aktien aufkaufen etc. Das ist genauso "normal" wie die Ausbeutung der Arbeiter und der Natur für Maximalprofite.
Und zum anderen: Dass man gegen die drastisch steigenden Mieten vorgeht, ist richtig. Wenn man allerdings genau hinschaut, geht es bei der Berliner Initiative nicht um Enteignung, sondern um Rückkauf durch den Senat. Strittig ist dabei nur der Preis – ob zum sog. Marktwert, den der Senat auf 36 Milliarden Euro schätzt – oder für etwas über 8 Milliarden Euro, wie die Initiative rechnet. Diese Kosten sollen vom Senat über die Vermietung für sehr günstige 3,70 Euro pro Quadratmeter binnen 43 Jahren wieder reingeholt werden. Also müssten die Berliner Steuerzahler so lange die Zinsen für diese Ausgaben bezahlen. Wir brauchen Erhaltung und Schaffung von ausreichendem, umweltgerechtem und preisgünstigem Wohnraum - auf Kosten der Profite!
Tatsächlich betreibt z. B. die Deutsche Wohnen in Berlin ja bereits „Portfoliooptimierungen“. Sie verkauft von ihren mehr als 100.000 Berliner Mietwohnungen, die im Durchschnitt 60 Quadratmeter groß sind gerne diverse an den Senat. Durchschnittsgröße 60 qm bedeutet, dass viele weit unter dieser Größe liegen und v. a. von ärmeren Menschen bewohnt werden. In diese Wohnungen wurde in den 20 Jahren sehr wenig investiert. Wer also heute Anfang der 2000er - übrigens günstig von eben diesem Senat erworbene - Immobilien abstößt, geht mit Gewinn raus. Die großen in Berlin tätigen Wohnungsgesellschaften haben 2020 sogar ganz offiziell angekündigt, noch weniger Geld in den Erhalt ihrer Immobilien stecken zu wollen.
D. h. was hier als Sozialismus bezeichnet wird, ist eher ein staatliches Rückkaufprogramm für Wohnungen, die wenig Profit und viel Renovierungsbedarf „bieten“ – und das so, dass die Immobilienkonzerne dabei Profit machen.
Sozialistische Enteignung geht anders – das setzt die revolutionäre Eroberung der politischen und wirtschaftlichen Macht durch die Arbeiterklasse und ihre Verbündeten voraus und als "Entschädigung" dürften die Konzernherren zum ersten Mal in ihrem Leben ihren Lebensunterhalt durch ehrliche Arbeit verdienen. Und die für sie ganz neue Erfahrung machen: Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. Das ist dann Sozialismus.