Frauenrebellion gegen Polizei und Regierungen
"Ihr hört nicht zu!"
Im Lauf der vergangenen Woche berichteten Medien wiederholt über Frauenrebellionen in Großbritannien und Australien. Damit setzt sich die Belebung der weltweiten kämpferischen Frauenbewegung mit dem vorläufigen Höhepunkt am 8. März 2021 fort.
Am 3. März wurde Sarah Everard im Süden Londons auf dem Weg nach Hause entführt und getötet. Tatverdächtig ist ein Polizeibeamter. Am letzten Wochenende ging die britische Polizei brutal und massiv gegen eine Mahnwache und einen Gedenkmarsch vor. Die Bilder von auf den Boden gedrückten demonstrierenden Frauen riefen eine Welle der Empörung hervor. Sofort setzte eine breite Bewegung der Trauer und der Proteste gegen sexuelle Gewalt ein. Seither gibt es immer wieder Mahnwachen im Park Clapham Common – dem Ort des Verbrechens – und Demonstrationen am britischen Parlament.
Die Proteste und Forderungen nach mehr Schutz von Frauen verbinden sich mit der Kritik an einem neuen Polizeigesetz. Dieses ist Ausdruck einer Rechtsentwicklung und erweitert die Befugnisse des Staatsapparates gegen Proteste und Demonstrationen. Damit bereitet sich die Regierung von Boris Johnson auf zunehmende Massenkämpfe gegen die Abwälzung der Krisenlasten vor. Die Rebellion der britischen Frauen findet unsere volle Solidarität! Eine Aktivistin aus dem Frauenverband COURAGE ordnet die Ereignisse in Großbritannien ein: "Diese Rebellion gehört zum weltweit erwachenden Frauenbewusstsein. Das steht immer in Verbindung mit dem Kampf gegen eine konkrete Rechtsentwicklung.“
Neue Perspektiven für die Befreiung der Frau - Eine Streitschrift
337 Seiten
ab 12,99 €
Zum internationalen Frauentag am 8. März hob die gemeinsame Erklärung verschiedener fortschrittlicher und überparteilicher Frauenorganisationen eine solche Entwicklung in USA, Polen, Belarus, Bangladesch und Argentinien hervor. Die ICOR (Internationale Koordination revolutionärer Parteien und Organisationen) konnte bis heute ermutigende Berichte aus 14 Ländern über den Internationalen Frauentag veröffentlichen (www.icor.info).
Die CPA/ML (Kommunistische Partei Australiens (Marxisten-Leninisten)) berichtet dort am 15. März in einem „Update zum internationalen Frauentag in Australien“: „Frauen haben nach einer Reihe von Vergewaltigungsvorwürfen auf der Ebene der Bundesregierung spontan Märsche für Gerechtigkeit im ganzen Land organisiert. Am ersten, gestern in Perth, nahmen etwa 4000 Frauen teil. Weitere werden heute in 42 anderen Städten und Gemeinden abgehalten.“
Inzwischen haben sich Zehntausende in mindestens vierzig Städten an dieser Bewegung beteiligt. Ihre Losungen sind: „Ihr hört nicht zu!“, „Wie viele Opfer kennt Ihr!“, „Wir werden nicht schweigen!"
Auslöser dieser Proteste waren verschiedene Ereignisse: mindestens eine Vergewaltigung im Umfeld des Verteidigungsministeriums wurde öffentlich bekannt – gegen massive Vertuschungs- und Einschüchterungsversuche. Gleichzeitig richtete sich die Empörung vieler Frauen gegen reaktionäre und chauvinistische Gesetze, die Frauen bedrohen und Täter schützen.
Das Zentralkomitee der CPA (ML) analysierte bereits in seinem Aufruf zum internationalen Frauentag: „Der männliche Chauvinismus durchdringt die kapitalistischen Gesellschaften und stellt Frauen auf allen Ebenen der Gesellschaft als minderwertig gegenüber Männern dar ... und schützt damit die kapitalistische Ausbeutung von Frauen und Männern der Arbeiterklasse und normalisieren Erniedrigung, Missbrauch und Gewalt gegen alle Frauen.“ Immer mehr rückt die Regierung um Scott Morrison ins Zentrum. Deren Generalstaatsanwalt Christian Porter wird selbst einer Vergewaltigung und extremer Frauenfeindlichkeit beschuldigt. In beiden Ländern bringen die Beschwichtigungsversuche der Regierungen sie selbst mehr und mehr in den Fokus der völlig berechtigten Proteste.
Unter den schwierigen Bedingungen der Corona-Pandemie bricht eine kämpferische Frauenbewegung auf – wie in Australien abseits der institutionalisierten Frauenpolitik. Sowohl Großbritannien wie Australien sind Länder, in denen tiefe gesellschaftliche Krisen immer wieder aufbrechen – in Folge des Brexit oder einer reaktionären Umweltpolitik.
Zur gesellschaftlichen Bedeutung solcher Frauenrebellionen schrieb bereits 2010 Stefan Engel in der „Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution“: „Alle diese Bewegungen und Aktivitäten verbindet, dass das gemeinsame Handeln der Frauen für ihre Interessen zugleich auch die kämpferische Opposition gegen die herrschenden Monopole und ihre Regierungen stärkt. Es strahlt in die Arbeiterbewegung aus und über sie hinaus in die kleinbürgerlichen Zwischenschichten und in andere gesellschaftliche Bereiche“ (Seite 505).