Entwurf
Monopole laufen Sturm gegen Lieferkettengesetz
Seit Jahren wird nach Aussage von Wirtschaftsminister Peter Altmaier "beinhart gerungen" um ein Lieferkettengesetz. Monopole und Konzerne sollen dazu verpflichtet werden, dass sie bei ihren ausländischen Lieferanten menschenwürdige Arbeitsbedingungen und die Einhaltung von Umweltstandards durchsetzen.
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) präsentieren einen Entwurf, der jetzt in die Ressortabstimmung geht und noch vor den Bundestagswahlen verabschiedet werden soll.
Rana-Plaza-Opfer kämpfen bis heute um Entschädigung
Die Initiative für den Gesetzentwurf ging nicht von der Regierung und nicht vom Parlament aus, sondern von Gewerkschafterinnen, vor allem von ver.di, die wiederum mit der GWTUC in Bangladesch (Garment Workers' Trade Union Centre) zusammenarbeitet. Auch andere Gewerkschaften und Umweltverbände machen sich dafür stark. 2013 forderte die Rana-Plaza-Katastrophe 1.133 Todesopfer. Ergebnis brutaler Arbeitsbedinungen. Bis heute dauert der Kampf um Entschädigungen an. Aus der Überausbeutung der Textilarbeiterinnen in Asien, der Bergarbeiter im Kongo etc. ziehen Konzerne - einige einheimische, die Mehrheit ausländische - gigantische Profite. MLPD und ICOR sind den Kämpfen dieser mutigen Arbeiterinnen und Arbeiter eng verbunden.
222.222 Menschen unterzeichneten für die Initiative
Im Juli 2020 übergaben sie die Unterschriften Bundeskanzlerin Angela Merkel. Wofür sie sich eingesetzt haben, hat mit dem zahnlosen Gesetzesentwurf, der jetzt vorgelegt wurde, nicht viel gemein. Große deutsche Konzerne sollen gesetzlich verpflichtet werden, bei ihren ausländischen Lieferanten die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards durchzusetzen. Aber erstens greift das Gesetz erst von Januar 2023, bei kleineren Betrieben erst ab 2024. Bis dahin gilt der Freifahrschein weiter. Die Sorgfaltspflicht bezieht sich fast nur auf die unmittelbaren Zulieferer. Verstöße weiter hinten in der Kette müssen die Konzerne nicht systematisch auffinden. Sie müssen nur aktiv werden, wenn ihnen von Menschenrechtsvergehen berichtet wird. Die Umsetzung kontrolliert das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Bußgelder von bis zu zehn Prozent des Umsatzes können verhängt werden, der Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen für bis zu drei Jahre ist möglich. Eine zivilrechtliche Haftung, wie sie das Bündnis Lieferkettengesetz gefordert hatte, sieht das Gesetz nicht vor. Auch Regelungen für die Entschädigungen von Opfern gibt es nicht.
Monopole wollten das Gesetz verhindern
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) will, wenn überhaupt, eine europäische Regelung. Gesamtmetall-Geschäftsführer Oliver Zander erklärte, mit dem Gesetz sei „die Grenze des Machbaren für die Unternehmen absolut erreicht, vielleicht auch teilweise überschritten". Das Magazin MONITOR hat akribisch den Schriftverkehr der vergangenen Jahre zwischen Wirtschaftsverbänden und der Bundesregierung durchforstet. Daraus geht hervor, dass die Monopolverbände das Gesetz verhindern wollten und sie durchgesetzt haben, dass der Entwurf erheblich abgeschwächt wurde. Von den 7.100 Unternehmen, die das Gesetz ursprünglich umsetzen sollten, sind jetzt nur noch etwa 2.900 übrig geblieben – weniger als die Hälfte. Klagen von Betroffenen können in Deutschland weiter einfach aus formalen Gründen abgewiesen werden wie die nach dem verheerenden Unglück in Pakistan 2012. Trotzdem fordert der Wirtschaftsrat der CDU, dass das Lieferkettengesetz im Bundestag gestoppt werden muss. In ihrem Streben nach weltmarktbeherrschenden Positionen erwarten die Monopole von "ihrem" Staat komplett willfährige Dienstleistungen und keine Menschrechts- und Umweltvorschriften.
Unterstützung für die internationalen Arbeiterkämpfe?
Die Gewerkschafterin und Weltfrau Joly Talukder, Vorsitzende der Textilarbeitergewerkschaft aus Bangladesh, hält es für möglich, dass das Gesetz den Kampf der Arbeiter und Arbeiterinnen unterstützt. Ein Selbstläufer wird es garantiert nicht. Sie schreibt: "In der bangladeschischen Textilindustrie sind mehr als 80 Prozent der fast 5 Millionen Arbeiter Frauen. Daher hoffen wir, dass das neue Gesetz zur Lieferkette für die Textilarbeiterinnen in Bangladesch von Vorteil sein wird. Nicht nur das, wir wünschen uns auch, dass dieses Gesetz den kämpfenden Arbeitern helfen wird, die für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen am Ende der Kette kämpfen. ... Während Deutschlands neues Lieferkettengesetz eine theoretische Möglichkeit für Arbeiter in Bangladeschs Textilindustrie schafft, eine Entschädigung für die physischen und psychischen Schäden zu erhalten, die sie durch die Arbeit unter schrecklichen Bedingungen erleiden, ist es unwahrscheinlich, dass dieses Gesetz die Situation dieser Arbeiter verändern wird. Erstens brauchen die Schäden, die sie erleiden, oft sehr lange, um sich zu manifestieren. Daher ist es sehr schwer, eine direkte Kausalität zwischen den körperlichen Erkrankungen und den Arbeitsbedingungen zu beweisen. ... Oftmals arbeiten diese Konzerne mit großen lokalen Vertragspartnern zusammen. Diese Kleidungsstücke haben einigermaßen humane Bedingungen. Doch obwohl die Konzerne legal nur mit ihnen zusammenarbeiten, verlagern sie die Arbeit an kleinere Subunternehmer, wo die Arbeiter unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten. Die Arbeiter, die für diese kleineren Häuser arbeiten, haben keine Möglichkeit, die deutschen Konzerne zu verklagen, da die ausländischen Firmen keine direkte rechtliche Verbindung zu dem Konzern haben, für den sie arbeiten."
Die weitere Auseinandersetzung verspricht, spannend zu werden. Die MLPD tritt für ein Lieferkettengesetz mit klaren und bis ins Detail geregelten Standards und zwar auf der ganzen Länge der Lieferkette ein.