Esslingen

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Frauenalltag unter Corona - sieben Frauen erzählen

Eine Korrespondentin hat für "Rote Fahne News" Frauen gefragt, wie es ihnen im Corona-Alltag geht. Wir dokumentieren die Interviews in mehreren Folgen.

Von gc
Frauenalltag unter Corona - sieben Frauen erzählen
(foto: shutterstock_1678260469)

„Eigentlich geht es mir gut. Es gibt Menschen, denen es viel schlechter geht.“ In den Interviews mit sieben Frauen über ihre Situation in der Corona-Pandemie hat mich das am meisten beeindruckt: Sie sind empathisch mit Menschen, denen es schlechter geht: Arbeitslosen, Erkrankten, Obdachlosen, Kulturschaffenden. Gleichwohl sind sie meist selbst stark belastet. Das erfahrt ihr in den folgenden Interviews mit Frauen in den unterschiedlichsten Lebenssituationen.

"Stark beschäftigt mich das Aufwachsen meiner zweijährigen Tochter"

„Der Berufsstand mit den meisten Infizierten und Toten sind Erzieherinnen“, erzählt mir in einem Interview Inga*, eine junge Frau, die selbst junge Mutter ist. Mit Mundschutz unter den Kleinsten zu arbeiten ist unmöglich, da die Kommunikation vor allem über die Mimik läuft. Die Einhaltung des Abstandsgebots ist Illusion. Hinzu kommt, dass durch die hohe Infektionsrate der Krankenstand und damit die Arbeitsbelastung in den KITAs nochmals enorm gestiegen ist. Selbstbewusst erklärt sie: „Wenn wir nicht wären, könnten Ärzte, Pfleger mit Kindern selbst nicht arbeiten. Aber von Wertschätzung sind wir gerade als AWO-Angestellte weit entfernt. Im Gegenteil: Wir haben einen eigenen Tarifvertrag, keine Coronaprämie.“ In der Notbetreuung kann sich ihr Arbeitsplan täglich ändern und sie muss dann spontan eine Betreuung für die eigene Tochter suchen. Denn in NRW hat sie für ihre eigene Tochter ebenfalls 10 Stunden weniger Betreuungsanrecht. Seit Corona geht ihre Tochter zudem nicht mehr gerne in die KITA, weil dort viel weniger Kinder sind. „Stark beschäftigt mich das Aufwachsen meiner 2-jährigen Tochter, eigentlich aller Kinder in einer solch kulturarmen Zeit. Keine Zoos, keine Schwimmbäder, Bibliotheken, Sport, Nikolaus, St.Martin. Wir überlegen uns gerade, wie wir wenigstens etwas Karneval unter Corona-Bedingungen mit den Kleinsten feiern können.“

Pflege der todkranken Mutter war eine starke Belastung

Birgit* hat im vergangenen Jahr ihre Mutter verloren, die zuvor pflegebedürftig geworden war. Die Corona-Pandemie brachte eine enorme Belastung mit sich, denn plötzlich konnten viel weniger polnische Pflegerinnen einreisen. Sie musste trotz eigener chronischer Krankheit selbst einspringen. „Der hohe bürokratische und organisatorische Aufwand nach Mutters Tod hat mich auch von der Pandemie abgelenkt, aber der persönliche Kontakt zu Freundinnen fehlt mir schon sehr. Ich habe wieder begonnen mehr Briefe zu schreiben.“ Eine meiner Freundinnen ist freischaffende Künstlerin. Glücklicherweise bekommt sie eine kleine Rente, so dass sich ihre Existenzsorgen im Rahmen halten. Aber das hat auch einen Nachteil: sie bekommt keinerlei Entschädigung für ihre künstlerische Projektarbeit in den Schulen. Diese ist jetzt völlig eingestellt worden. „Jetzt in der Corona-Pandemie erfahren wir Künstler ganz materiell, dass wir in dieser Gesellschaft nicht als 'systemrelevant' eingeschätzt werden. Oft bekomme ich scheinbar verständnisvoll zu hören: 'Kunst ist ja auch gut für die Psyche'. Das ist aber eine völlige Unterschätzung, mit der sich gerade weibliche Künstler oft konfrontiert sehen.“ Eine Gesellschaft ist ohne ihre Kultur, ohne Kunst keine menschliche Gesellschaft erzählt sie. Eine Gesellschaftsform, die Automobilproduktion als systemrelvant einstuft, die Kunst aber nicht, zeigt doch ganz offen, dass sie unmenschlich ist. "Ich nutze jetzt die Zeit, weitere Projekte zu planen, mir neue künstlerische Felder zu erobern: Hörspiele und Film. Ich habe begonnen, Gedichte zu schreiben. Eines schreibe ich gerade für dich und die MLPD.“