Kurzarbeitergeld
Die Konzerne sparen Milliarden Euro, die sie an Löhnen und Gehältern zahlen müssten
Im Oktober waren laut ifo-Institut noch 3,3 Millionen Menschen in Deutschland in Kurzarbeit. Aktuell wird eine Zunahme um mehrere Hunderttausend Kurzarbeiter erwartet. In den bürgerlichen Medien wird das immer als soziale Wohltat des Staates gegenüber den Arbeitern und Angestellten dargestellt. Die Realität ist ein wenig anders...
Es stimmt, dass das Kurzarbeitergeld dazu beitrug, dass zeitweise Entlassungen aufgeschoben wurden. Durch Zusatzbeträge verschiedener Unternehmen wurde das Kurzarbeitergeld teils auch erheblich aufgestockt. Aber: Kurzarbeit senkt das allgemeine Lohnniveau. Im November meldeten bereits 40 Prozent der Arbeiter und Angestellte Einkommensverluste in der aktuellen Weltwirtschafts- und Finanzkrise, die durch die Corona-Krise verschärft wird. Im kommenden Jahr drohen den bislang sieben Millionen Arbeitern und Angestellten, die bislang von Kurzarbeit betroffen waren, teils erhebliche Steuernachforderungen auf Grund der sogenannten Progression. Und Kurzarbeitergeld sichert auch letztlich die Arbeitsplätze nicht, schon gehen große Konzerne wie Daimler zu massenhafter Arbeitsplatzvernichtung über.
Direkt subventioniert mit dem Kurzarbeitergeld werden aber die großen Konzerne! Denn normal müssen die Betriebe gemäß § 615 BGB eigentlich Löhne und Gehälter ganz normal weiterzahlen. Aber mit dem Trick, dass die Monopolpolitiker in der aktuellen Situation per Gesetz eine unabsehbare gesellschaftliche Krise erklären, wird die Zahlung von Kurzarbeitergeld möglich.
Frühzeitig – sogar schon vor der Corona-Krise - wurden Änderungen der Kurzarbeiter-Regelung auf den Weg gebracht und im Juli aktualisiert. Die Frist für Kurzarbeitergeld bei der Bundesanstalt für Arbeit kann bis Ende 2021 verlängert werden. Unternehmen die durchgehend Kurzarbeit beantragt hatten, können diese locker ganz unbürokratisch ohne Prüfung in Anspruch nehmen. Da sind die kleineren und Saisonbetriebe schon mal außen vor.
Früher mussten gut 30 Prozent der Beschäftigten von Auftragsmängel betroffen sein, nun reichen zehn Prozent. Die Ursache über die Auftragsrückgänge muss das Unternehmen nicht nachweisen.
Verständlich, wie rundweg zufrieden die Unternehmerverbände in dieser Frage mit ihrer Regierung sind. Die große Koalition habe "bewiesen, dass sie den Ernst der Lage erkannt" habe, sagte Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) dazu. Wenn das allein herrschende internationale Finanzkapital pfeift, werden von den Regierungen die Gesetze und Durchführungserlasse Ruckzuck geändert. Für die Monopole war das ein Volltreffer!
Ein gutes Beispiel dafür, wie in diesem System die Diktatur der Monopole herrscht - und funktioniert: Wir alle kennen die dreisten Forderungen der Monopole bzw. der Kapitalistenverbände. Und prompt - im vorauseilenden Gehorsam - werden von der Bundesregierung sofort Programme aufgestellt, die ganz im Sinne der Monopole sind. Staatsmonopolistischer Kapitalismus live!
Sehr verschlossen zeigen sich die Konzerne, wenn man sie fragt, mit wie vielen Millionen sie davon profitieren. Aber man findet die Angaben, wenn man im Kleingedruckten nachliest. So schreibt Daimler im letzten Geschäftsbericht: Die Ansprüche auf die hunterprozentige Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen hätten „zu einer Verbesserung der Kostenposition“ geführt. Für das dritte Quartal werden diese Finanzhilfen unter den „sonstigen betrieblichen Erträgen enthalten“ aufgeführt. Der größte Batzen: Einsparungen von Löhnen durch Kurzarbeitergeld. Daraus ergibt sich eine Größenordnung von 300 bis 500 Mio. Euro, die in der Gewinnerwartung des Konzerns von 3,1 Mrd. Euro für das Krisenjahr 2020 einfließen! Das allein wären mindestens 17 bis zu 28 Prozent der Summe, die Daimler 2019 für Löhne und Gehälter ausgewiesen hatte. So wie Daimler bedienen sich alle großen Konzerne aus dem 26-Milliarden-Fonds der Bundesanstalt für Arbeit.
Ein Kollege in der Produktion bei einem Automobilhersteller in NRW (Name des Betriebs ist der Redaktion bekannt) hat folgende Berechnung angestellt: „Bei einem Brutto-Monatslohn nach ERA EG 8 + Schicht- und Leistungszulagen von 3835 Euro spart der Betrieb incl. des Kapitalistenanteils (ca. 20 Prozent) zu den Sozialversicherungen pro Arbeitstag 219 Euro. Der Betrieb leistet auf der anderen Seite einen Zuschuss zum Kurzarbeitergeld, damit die Arbeiter auf 80 Prozent des Nettolohnes kommen. Das sind rund 19 Euro pro Arbeiter und Tag.
Für den Betrieb ergibt das 699.000 Euro an Lohneinsparung pro Kurzarbeitstag. Seit Februar wurden für ca. 3500 Arbeiterinnen und Arbeiter in der Fertigung jeweils an einem Tag pro Woche Kurzarbeit gefahren. Alleine durch die regelmäßige wöchentliche Kurzarbeit macht das in zehn Monaten „Einsparungen“ in Höhe von 30 Millionen Euro. Dazu kommen ca. 30 Kurzarbeitstage durch den Lockdown von Ende März bis Anfang Mai, wodurch sich die Summe auf rund 51 Mio. Euro erhöht.“
Je größer die Konzerne, desto dreister: BMW zahlt 2020 1,6 Mrd. Euro an Dividenden aus, hat aber gleichzeitig Kurzarbeit eingeführt und sich für ein staatliche Kaufprämie stark gemacht. BASF schüttet 3,4 Mrd. Euro aus und hat in Großbritannien eine milliardenschwere Staatshilfe erhalten. Bayer zahlt seinen Aktionären 3 Mrd. Euro, kassiert aber 670 Mio. Euro aus dem britischen Nothilfefonds. Auch VW, Daimler, Siemens, Continental oder die Münchner Rück halten trotz Kurzarbeit an ihren Dividenden–Zahlungen fest. So subventioniert die Kurzarbeit indirekt auch diese milliardenschweren Dividenden, die zum kleinen Teil zur persönlichen Bereicherung, zum größten Teil aber für die Kriegskassen der Konzerne im weltweiten Konkurrenzkampf genutzt werden.
Geplatzt ist auch das Versprechen von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), das Kurzarbeitergeld sei „steuerfrei“. Letzte Woche kam es darüber im Finanzausschuss des Bundestages zum Eklat. Empörung erntete die Nachricht, dass zwar Kurzarbeitergeld steuerfrei zum Zeitpunkt der monatlichen Lohnabrechnung ist, aber im kommenden Jahr mit dem Lohnsteuerjahresausgleich angerechnet wird. Vielen droht dann eine saftige Nachzahlung. Frech ist die Begründung der Finanzpolitischen Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Antje Tillmann, man wolle die Kurzarbeitergeldbezieher nicht gegenüber denjenigen vorziehen, die Lohn durch ihre Arbeit beziehen. Jetzt werden die Kurzarbeiterinnen und -arbeiter auch noch beschimpft, sie wollten sich aus der Beitragskasse bedienen!
Die MLPD fordert, dass die Arbeiter und Angestellten bei Arbeitsausfall und Betriebsstillstand 100 Prozent Lohnfortzahlung erhalten. Großkonzerne müssen das voll selbst bezahlen. Kleinere und mittlere Unternehmen müssen auf Kosten der Monopolprofite entlastet werden. Deshalb fordert die MLPD: „Volle Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge durch eine umsatzbezogene Unternehmenssteuer!“ Mit einer umsatzbezogenen Sozialsteuer von etwa 7 Prozent hätten im Jahr 2016 alle Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden können. Kleinbetriebe mit einem relativ hohem Lohnanteil am Umsatz würden deutlich entlastet. Aus den Beiträgen der Monopole könnten aktuell auch die Lohnfortzahlungen der Klein- und Mittelbetriebe finanziert werden, die unverschuldet in Not geraten sind.