Protestaktionen von Klein- und Mittelbauern
Landwirte sind empört: „Schluss mit lustig!“
„Schluss mit lustig!“, so nennen die Bauern ihre Aktionen gegenüber Molkereien, Schlachthöfen und den Lebensmittelhandelskonzernen, die sie Anfang Dezember begonnen hatten.
Sehr gut ist es, dass sich die zuletzt einzeln agierenden Bauernbewegungen bei den aktuellen Protesten zusammengeschlossen haben (Bundesverband der Deutschen Milchviehhalter (BDM), Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) LandschafftVerbindung (LsV), Freie Bauern, u. a.). Bundesweit gab es viele Aktionen in Norddeutschland, Brandenburg, NRW, Rheinland-Pfalz mit jeweils 50 bis 200 Traktoren. Zuletzt haben Bauern am 7./8. Dezember Aldi-Zentrallager „besucht“ und auch zeitweise blockiert, unter anderem auch in Greven im Münsterland.
Die Schweinepreise liegen nach wie vor auf einem Tiefststand von 1,19 Euro je Kilogramm Schlachtgewicht. Sie sind damit unter die absoluten Erzeugungskosten gefallen. „Die Ferkelerzeugung läuft im Moment so, dass ich quasi jedem verkauften Ferkel noch einen Zwanzig Euroschein an den Schwanz hängen könnte. Statt 40 Euro je Tier bekommen wir gerade noch 22,- Euro!“, so ein Ferkelzüchter, der in Greven demonstriert hat. Den Milchviehhaltern geht's nicht besser.
Der Discounter Lidl, der zuerst „besucht“ wurde, erklärte inzwischen in einer ganzseitigen (!) Werbung in der Süddeutschen Zeitung, dass sie als bisher einziger Händler zugesagt hätten, „im kommenden Jahr als Unternehmensgruppe die zusätzliche Summe von 50 Millionen Euro in die bestehende Brancheninitiative ‚Tierwohl‘ einzuzahlen und aufgefordert, in weiteren Schritten einen langfristigen Wandel anzustoßen.“ Ach wie großzügig!!! Dazu ein Milchbauer aus der Eifel: „ 50 Mio. Euro sind lächerlich. Wir brauchen einen deutlich höheren Milchpreis!“ Bei 33 Mrd. Kilogramm Milch in Deutschland kämen bei dieser Zahlung gerade mal 0,15 Cent je Liter mehr heraus! Aber das Geld soll gar nicht an die Bauern gehen, sondern in eine von den Unternehmen selbst gegründete „Brancheninitiative „Tierwohl“! Diese Initiative verdient ihren Namen nicht. Sie wurde mit dem Segen der Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) auf „freiwilliger Grundlage“ von den Lebensmittelhandelskonzernen selbst initiiert und verpflichtet sie zu nichts
Die Reaktionen der Handelskonzerne wie das Aussitzen der Bundesregierung zeigen, dass die Klein- und Mittelbauern trotz aller Erfolge im Zusammenschluss ihrer verschiedenen Bewegungen noch einen Zahn zulegen müssen.
Die MLPD und die Agrarplattform im Internationalistischen Bündnis haben eine Solidaritätserklärung verfasst:
„Die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) und die Agrarplattform des Internationalistischen Bündnisses¹, in dem die MLPD mitarbeitet, erklären uns deshalb solidarisch mit Eurem Kampf. Die arbeitende Bevölkerung steht in ihrer Mehrheit hinter Euch! Weltweit gehen Klein- und Mittelbauern auf die Straße. Vor ein paar Tagen blockierten in Indien Bauern die Hauptstadt Neu-Delhi. Der Generalstreik letzte Woche war mit 250 Millionen der größte Massenkampf in der Geschichte des Landes. Am 8. Dezember riefen indische Gewerkschaften zu Solidaritätsstreiks mit den Bauern auf.
Das System der Nahrungsmittelproduktion auf dem Rücken von kleinen und mittleren, bäuerlichen Betrieben muss grundsätzlich geändert werden. Die Gemeinsame Marktordnung der EU (GMO) schützt die Klein- und Mittelbauern nicht vor Niedrigstpreisen. Das Kartellamt schreitet bei Dumpingpreisen im Handel ein, bei den Bauern nicht. Sie sollen als Produzenten damit zurecht kommen oder aufhören. Letzteres scheinen jetzt auch staatliche Berater zu empfehlen, nachdem sie jahrelang zum Bau größerer Ställe geraten haben. Auch das ist ein Skandal!“
Die Stärke der aktuellen Kämpfe ist ihre Radikalität und Entschlossenheit. Sie wollen sich endlich nicht weiter hinhalten lassen. Aber warum werden nicht alle Discounter gleichzeitig ins Visier genommen, sondern die erste Woche Lidl, die zweite Aldi usw.? Warum werden Zentrallager als Kampfplätze draußen auf dem Lande gewählt? Damit macht man sich vom Wohlwollen abhängig, ob die Medien darüber berichten oder nicht! Die besten Plätze sind dort, wo auch die Bevölkerung alles mitbekommt und sich solidarisiert: In den Zentren der großen Städte.
Die Agrarplattform fordert: Höhere Erzeugerpreise auf Kosten der Agrar- und Handelskonzerne! Erzeugerpreise unterhalb der Gestehungskosten müssen unterbunden werden!
Notwendig ist ein organisierter Zusammenschluss und gemeinsamer Kampf mit der Arbeiter-, Frauen- und Umweltbewegung, mit der Jugend und international gegen das internationale Finanzkapital und seine Handlanger in den Regierungen!
Auffällig ist auch, dass die internationalen Kämpfe der Klein- und Mittelbauern an Quantität und Qualität zunehmen
So gehen die Proteste von Klein- und Mittelbauern in Indien schon seit mehreren Monaten. Die Situation der Bauern ist sehr schlecht. Jedes Jahr nehmen sich 10.000 Bauern das Leben. Die ultrareaktionäre Modi-Regierung verspricht seit geraumer Zeit Verbesserung, davon ist bisher aber nichts zur sehen. Zusätzlich wird nun die Lage mit einem neuen Gesetz noch verschärft. (mehr dazu hier)
Die Wut der Bauern schlägt in Proteste, Straßenschlachten und Streiks um. Sie blockieren seit einer Woche Straßen in Delhi. Der Generalstreik von letzter Woche war ein gemeinsamer Kampf von Arbeitern und Bauern. 58 Prozent der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig. Dieser gemeinsame Kampf ist von großer Bedeutung. Am gestrigen 8. Dezember kam es infolge des Aufrufs zum Generalstreik erneut zu Massenprotesten, landesweiten Streiks etc. Die Polizei griff brutal an, konnte die Klein- und Mittelbauern aber nicht stoppen.
In Ünye/Ordu, an der Schwarzmeerküste, verteidigen Haselnussbauern erbittert ihre Gärten und Grundstücke gegen gewaltsame Räumungen durch die Polizei des faschistischen Regimes. Die Räumungen finden im Auftrag des Bergbaukonzerns Ünye Maden statt.
Solche Proteste von Bauern gibt es in ganz Türkei. Die Türkei ist inzwischen der sechstgrößte Stahlproduzent. Die rücksichtslose Ausbeutung der ohnehin knappen Ressourcen zerstört die Lebensgrundlagen vieler Klein- und Mittelbauern. Dagegen wehren sich die Bauern erbittet gegen Polizei und Militär faschistischen Erdoğan-Regimes.