Ungarn

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Die faschistoide Familienpolitik der Fidesz-Partei

Am 10. November 2020 brachte die ungarische Justizministerin einen Antrag in das Parlament ein, dass der Satz „Die Mutter ist eine Frau, der Vater ein Mann“ in das Grundgesetz aufgenommen wird. Hier geht es jedoch nicht um einfache biologische Vorgänge. Ein Blick auf Ungarns familienpolitische Ausrichtung offenbart vielmehr ein ganzes System von faschistoider, nationalistischer und rassistischer Familienpolitik.

Von nek
Die faschistoide Familienpolitik der Fidesz-Partei
Die Fahne der ungarischen ICOR-Organisation MIKSZ weht über einer Demonstration (foto: MIKSZ)

Schon 2019 kündigte der faschistische ungarische Präsident, Viktor Orbán an, es müssten nun „ungarische Babys“ geboren werden, die in „intakten Familien“ leben sollen. Und berechtigt wehren sich gleichgeschlechtliche Paare, gegen die Diskriminierung, die ihnen die Möglichkeit nimmt, Kinder zu adoptieren.

 

Aber es geht weniger ums Adoptieren, als vielmehr ums Gebären, denn auch in Ungarn ist die bürgerliche Staats- und Familienordnung in der Krise: Nach UN-Prognosen wird die ungarische Bevölkerung in den nächsten dreißig Jahren um 900.000 Menschen schrumpfen.

Zwei wesentliche Gründe dafür sind:

Erstens: Die Auswanderungsquote. Ein Großteil der über eine halbe Million emigrierten Ungarinnen und Ungarn verließ das Land seit die Regierung Orbán am Ruder ist. Und jährlich kommen Zehntausende hinzu.

 

Zweitens: Die soziale Lage der Frauen in Ungarn. Diese finden in einigen bitterarmen Landstrichen überhaupt keine Arbeit und es fehlt an einfachster Infrastruktur, mit der man z. B. regelmäßig mit dem Bus zu einem Arbeitsplatz fahren könnte. Viele Frauen arbeiten in schlecht bezahlten Berufen und „prekären“ Arbeitsverhältnissen, was heißt, dass sie keine Rechte wie Kündigungsschutz usw. haben. All dies fördert ihre finanzielle Abhängigkeit von einem Partner / einer Partnerin aber auch ihre Not: So leben nach einem Bericht der Frankfurter Rundschau 13,6 Prozent der Frauen unter der Armutsgrenze. Unter den alleinerziehenden Müttern sind es 40 Prozent. Unter solchen Lebensverhältnissen fällt das Gebären schwer und die Geburtenrate liegt entsprechend bei 1,45 Kinder pro Frau.

 

Orbán versucht nun, dieses Ergebnis seiner ultrareaktonären Politik mit dem Holzhammer zu beseitigen: Er will nun Geburten mit Geld erkaufen! Vier Prozent vom ungarischen Bruttosozialprodukt werden aufgewandt, um Frauen zur Geburt von Kindern zu bewegen. Die Palette reicht von günstigen Krediten oder deren Erlass, über Geburtsprämien bis hin zu großen Steuererleichterungen. Der Kern der Zugeständnisse ist der, dass je mehr Kinder eine Frau bekommt, ihr desto mehr finanzielle Vorteile gewährt werden.

 

Im Fokus sind dabei auch nicht etwa die Masse der armen Familien. Sondern, nur Paare, die eine gute Ausbildung und ein entsprechendes Einkommen haben, sollen die „Gebärprämie“ erhalten. In Ungarn kursieren darüber Witze wie: „Wer braucht schon Liebe zum Zeugen und Aufziehen von Kindern, wenn Steuerbefreiung winkt“.

 

Ein anderer pikanter Fakt am Rande: Der Mitbegründer von Orbáns Fidesz-Partei, József Szájer, wurde vor ein paar Tagen bei einer - wegen Corona illegalen - Party in der Innenstadt von Brüssel verhaftet, auf der sich außer ihm noch über 20 großteils nackte Männer tummelten und bei der Ecstasy konsumiert worden war. Wer im Glashaus sitzt... .

 

Kein Geld hat die ungarische Regierung übrigens für die geborenen Kinder übrig: Es gibt in Ungarn kein System von Kinderbetreuungseinrichtungen – übrigens ebensowenig wie Pflegeeinrichtungen für alte Menschen. Jede Familie muss die Betreuung der Kinder und die Versorgung der Alten individuell lösen.

 

Orbán versucht also, die Krise der bürgerlichen Familienordnung mit den gleichen Mitteln zu bekämpfen, mit denen sie verschärft wird.

 

Das liegt daran, dass eine faschistoide Familienpolitik die Krise der bürgerlichen Familienordnung auf dem Rücken der Frauen austragen will. Das wollen auch die Wegbereiter des Faschismus in Deutschland. Uwe Junge (AfD) befürchtet „Deutschland werde bald Geschichte sein, wenn unsere Frauen nicht bald deutlich mehr Kinder bekommen. Abgesehen vom Machismo und der Unverschämtheit Junges gegenüber Frauen, sollte das „unsere“ durchaus im rassistischen Sinne interpretiert werden. Flüchtlingsfrauen und ihre Kinder wollen Typen vom Schlage Junges nämlich nicht in Deutschland haben. Hier werden im Gegenteil menschenverachtende Abschiebungen gefordert.

 

Die entscheidende Hürde gegen faschistoide Entwicklungen ist das Klassenbewusstsein, und es ist sehr bedeutend, dass sich 2019 Proteste gegen Orbán und die Fidezs-Partei entwickelt haben, die wesentlich von Arbeitern mitgetragen wurden. Dieses gewachsene Klassenbewusstsein spielt auch eine wichtige Rolle bei den sich entfaltenden Auseinandersetzungen in Ungarn zwischen einem rückschrittlichen Frauenbild, das Frauen vor allem als Mütter wahrnimmt, die zu Hause Kinder und Familie versorgen, und den Perspektiven des Kampfs um die gesellschaftliche Gleichberechtigung und die Befreiung der Frau.