Klartext
Frau Merkels Weihnachten und die Würde im Schlamm
Es weihnachtet schon. Lebkuchen und Nikoläuse gibt‘s längst im Supermarkt. Nun hat Frau Merkel uns auch noch erklärt1, warum wir den ganzen Lockdown des sozialen Lebens und gleichzeitig ungeschützte Arbeit, Schulunterricht und überfüllte Busse ertragen sollen: Damit wir Weihnachten im Kreis von Familie und Freunden feiern können! Damit meint sie mehr als Lebkuchen und Nikoläuse.
Der Geist des „sozialen Zusammenhaltes unserer Gesellschaft“ soll über dem Weihnachtsbaum schweben. Sozialer Zusammenhalt quer durch alle Klassen und Schichten in einer gesellschaftlichen Situation der Kriegserklärungen wie des Daimler-Vorstandes an die Arbeiter? Der mörderischen Flüchtlingspolitik der EU? Von 1,2 Millionen Toten durch die Corona-Pandemie? Wie passt das alles zusammen?
Des Rätsels Lösung vermittelt Pfarrerin Annette Bassler2. Engagiert trägt sie ihre Empörung über die Zustände im Flüchtlingslager Moria vor. Bekanntlich wohnen die Flüchtlinge dort im Schlamm und unter menschen¬unwürdigen Bedingungen. Sie erfuhr darüber von Alia: „Aber Alia hat uns auf ihrer Facebook-Seite nicht nur ins Elend geführt. Sie hat uns auch … die Schönheit und Liebe der Menschen dort (gezeigt). Die Würde, mit der sie ihre würdelose Unterbringung getragen haben.“
Und nun? “Mit seiner Liebe zu den Geringsten hat Jesus das politische System seinerzeit nicht verändert. … Mit ihrer Reise nach Moria hat Alia auch nicht die Politik der EU verändert. Aber sie bringt … Hoffnung – Hoffnung in Form von Wolldecken, Wärmflaschen, Kleidung und Essen und sie zeigt …, wie wenig es braucht, um Menschen ihre Würde zurückzugeben.“
Die mit uns im Solidaritätspakt verbundenen Aktivisten jedenfalls werden sich niemals abfinden mit Schlamm, Elend und Fluchtursachen. Monika Gärtner-Engel, Internationalismus-Verantwortliche der MLPD
In der Tat ist auch uns die Würde der selbstorganisierten Flüchtlinge und der griechischen Bewohner von Lesbos wohlbekannt. Aber: Soll das die Weihnachtsbotschaft des sozialen Zusammenhaltes 2020 sein? Mit besonderer Schönheit und Würde (sowie Wolldecken und Wärmflaschen) die Kriegserklärungen, Flüchtlingspolitik und Millionen Tote ertragen? Die mit uns im Solidaritätspakt verbundenen Aktivisten jedenfalls werden sich niemals abfinden mit Schlamm, Elend und Fluchtursachen.
Ich freue mich auch auf Weihnachten mit Familie und Freunden. Aber ich plädiere für eine Weihnachtsbotschaft des würdevollen Kampfes gegen Kriegserklärungen, Flüchtlingspolitik und Millionen Tote. Und ich plädiere baldmöglichst für eine Neujahrsbotschaft, wie sie sich Erich Weinert schon 1929 wünschte: „ … über alle befreiten Länder / funken die Sender: / Genossen, ein glückliches neues Jahr!“
