Bayer im Visier
Der Konzern will 19.000 Arbeitsplätze vernichten
Anfang Oktober gab Bayer-Boss Werner Baumann bekannt: Er will (muss!) die "Personalkosten" 2024 um weitere 1,5 Milliarden Euro „senken“, das entspricht ungefähr 7000 Arbeitsplätzen.
Schon voriges Jahr im April hatte Baumann eine solche „Senkung“ bis 2022 um 2,6 Milliarden Euro angekündigt; das entspricht 12.000 Stellen. Das sind insgesamt knapp ein Fünftel der weltweit 103.000 Beschäftigten des Konzerns.
Hartes Mobbing anstelle betriebsbedingter Kündigungen
Der Chef der Gewerkschaft Bergbau und Chemie, Michael Vassiliadis, zeigte Verständnis; es gehe eben um eine „radikale Neuaufstellung“. Er sitzt ja nicht nur im Aufsichtsrat von Bayer, sondern wurde in seiner Jugend von Bayer ausgebildet und in seiner Karriere als Gewerkschaftsfunktionär von Bayer massiv gepampert. Vassiliadis verwies darauf: „Betriebsbedingte Kündigungen sind bis 2025 ausgeschlossen.“ Richtig. Aber wie sieht das in der Praxis aus? Ein Kollege: „Bei mir im zentralen Einkauf mit mehreren tausend Leuten sollen zwei Drittel der Arbeitsplätze wegfallen. Den Kollegen werden Abfindungen angeboten. Aber wer die nicht freiwillig nimmt, wird von der Personalabteilung gemobbt. Knallhart. 'Geh jetzt – dann kriegst du eine Abfindung. Wenn nicht, versetzen wir dich zum Briefe sortieren. Oder nach Buxtehude. Oder wir entlassen dich spätestens 2025 – ohne Abfindung. Oder ..." So nahmen schon 2019 4.000 Kollegen „freiwillig“ den Hut.
Ursache = Wirtschaftskrise + Monsanto
Sämtliche Kunststoffprodukte hat Baumann vor einigen Jahren in selbständige Firmen mit den schönen Namen Covestro und Lanxess ausgegliedert. Bayer will den Weltmarkt beherrschen mit zwei Säulen: Pharma und Agrochemie (Saatgut, Pestizide usw.). Gerade die Letztere trudelt: Durch die Wirtschaftskrise „werden die Auswirkungen auf das Crop-Sience-Geschäft (= Agro) tiefgreifender sein als zunächst erwartet“, erklärt Baumann. Dazu kommen die Schulden aus dem Einkauf von Monsanto für 60 Milliarden Euro. Und 120.000 Leute klagen Bayer wegen Körperverletzung durch das Monsanto-Mittel Glyphosat an.
Bayers Chefjurist baut AfD auf
Bayer hat einen riesigen juristischen Apparat. Ein Leitender Angestellter aus Wuppertal: „Von den Gesamtinvestitionen bei Pharma geht nur ein Drittel in die Forschung. Ein weiteres Drittel geht in die Werbung, und das letzte Drittel in die Rechtsabteilung, die sämtliche Patente auf aller Welt durchsetzen soll.“ Chefjurist - Justitiar - bei Bayer war Roland Hartwig. Den schickte der Bayer-Vorstand 2013 der AfD bei der Gründung zu Hilfe. Im Einvernehmen mit dem Verfassungsschutz erarbeitete er z.B. eine auch für Laien verständliche Power-Point-Präsentation (viel Bild, wenig Text), welche Sprüche und Begriffe man als AfDler in der Öffentlichkeit vermeiden solle – sonst gelte man als verfassungsfeindlich. Dr. Roland zog mit der AfD 2017 in den Bundestag ein, vertrat Bayer dort in einem halben Dutzend Ausschüsse – weithin von der Öffentlichkeit nicht registriert. Kein Wunder, dass der Chefsyndikus dem Monsanto-Problem nicht genügend Aufmerksamkeit widmen konnte.
Bayer taumelt
Umso erboster sind selbst die Aktionäre. 60 Milliarden Euro auszugeben, um sich dafür Schadensersatzklagen von zig Milliarden einzuhandeln – das ist nicht Profit-professionell. Nur die Monsanto-Verkäufer werden darüber noch in 100 Jahren lachen. Vorige Woche sank die Bayer-Aktie auf den tiefsten Stand seit gefühlten hundert Jahren: Sie brach auf 46 Euro ein, vor 10 Jahren kostete sie das Dreifache. Und – einmalig in der DAX-Geschichte: Voriges Jahr verweigerten die Aktionäre dem Vorstand die Entlastung. Sicherheitshalber gab es dieses Jahr nur eine virtuelle Hauptversammlung. Baumann schwankt. Obwohl er ein harter Führer ist: Von den sieben Vorstandsmitgliedern, die er noch 2017 hatte, ist heute nur noch einer übrig. Er hat den Konzern militärisch aufgeteilt in „Divisionen“ und „operative Einheiten“. Jetzt schon diskutieren Manager öffentlich über Fondsgesellschaften: „Wahrscheinlich werden über kurz oder lang wieder die Themen Aufspaltung des Konzerns und Managementwechsel zur Diskussion stehen“, so z.B. Markus Manns von Union Investment (RP 2.10.20)
„So kann das nicht weitergehen!“
Baumann versucht das zwar zu verhindern mit der Vernichtung von gegenwärtig 19.000 Arbeitsplätzen. Aber dass angesichts wachsender Schulden und schrumpfender Profite die Heuschrecken den Konzern ins Visier nehmen, nach Filetstücken suchen, ihn vermutlich zerschlagen werden, das ist eine eherne Gesetzmäßigkeit des kapitalistischen Konkurrenzkampfs. Baumann persönlich ist Millionär. Auch Vassiliadis hat eine sichere sechsstellige Rente. Die zahlreichen Bauernopfer sollen die Bayer-Kollegen sein – wenn sie sich das gefallen lassen. Ein Kollege, seit 20 Jahren Angestellter: „Jeden Morgen geht man mit Bauchweh, mit der Frage zur Arbeit: Was kommt als nächstes? Bin auch ich bald dran? So kann das nicht weiter gehen!“