Studientipp
Die biedermännische Seele des Herrn Proudhon
Im seinem Werk „Das Elend der Philosophie“ setzt sich Karl Marx – zuweilen beißend polemisch – mit einem der Vordenker des Anarchismus, Pierre-Joseph Proudhon, auseinander
Das fängt schon mit der Wahl des Titels von Marx' Schrift in Anlehnung an Proudhons Werk „Philosophie des Elends“ an. Der Nachweis des Elends von Proudhons kleinbürgerlicher politischer Ökonomie gelingt ihm auf ganzer Linie. Lustig macht sich Marx über das von Proudhon ausgedachte „Proportionalitätsverhältnis“ zwischen Angebot und Nachfrage. Im Kapitalismus könne nur von einem „Disproportionalitätsverhältnis“ die Rede sein, das mit beständiger Entwertung der Arbeitskraft, übermäßigen Preissteigerungen, Uberproduktion und vielen anderen Erscheinungen industrieller Anarchie einhergehe. Proudhons „Proportionalitätsverhältnis“ sei „nichts als der Wunsch eines Biedermannes, der gern möchte, daß die Waren in solchen Proportionen hergestellt würden, daß man sie zu einem Biedermannspreise losschlagen könnte“.¹
Karl Marx nützt die Polemik gegen Proudhon zugleich, um die Grundlagen der politischen Ökonomie des Proletariats und die dialektisch-materialistische Weltanschauung weiterzuentwickeln. Er weist nach, dass die Forderung Proudhons nach „gleicher Verteilung“ des Reichtums, ohne irgendetwas an den Produktionsverhältnissen zu ändern, ein zutiefst reformistisches Konzept ist. Während Proudhon schließlich bei der reaktionären Ablehnung von Streiks und Arbeiterkoalitionen endet, weil sie gegen sein „Proportionalitätsverhältnis“ verstoßen, zeigt Marx, wie sich gerade in Verbindung mit Streiks die Organisiertheit der Arbeiter und ihre bewusste Formierung als Klasse entwickelt.
Die 120-seitige Schrift ist eine wichtige Anleitung für die Auseinandersetzung auch mit heutigen kleinbürgerlichen Strömungen und für die vertiefte Aneignung der weltanschaulichen Grundlagen des wissenschaftlichen Sozialismus.