Brexit

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Das Hauen und Stechen geht weiter

Am Mittwoch, 9. September, legte die britische Regierung den Entwurf eines „Marktgesetzes“ zu Zollregelungen und Staatshilfen vor, der den zwischen der EU und Großbritannien vereinbarten Brexit-Vertrag vom 1. Februar in Teilen aushebelt.

Von ba
Das Hauen und Stechen geht weiter
Streikende britische eisenbahner (foto: CPGB (M-L))

Am Entwurf des neuen Marktgesetzes könnte der Freihandelsvertrag scheitern, über den seitdem verhandelt wurde, und der nach dem 31. Dezember in Kraft treten sollte. Durch das Freihandelsabkommen sollten Zölle und Kontingent-Beschränkungen im gegenseitigen Handel vermieden werden. Bis zum 15. Oktober war eine Einigung geplant. Jetzt wird der Johnson-Regierung von den EU-Politikern ein Bruch des Völkerrechts vorgeworfen, weil sie Klauseln eines vereinbarten Vertrages einseitig außer Kraft setzen würde. Dabei handelt es sich hier um eine Methode, die typisch für die rechten und ultrareaktionären Regierungen Europas ist: Zuerst einem Vertrag zustimmen und diesen dann unter der Hand torpedieren. Am 1. Januar könnte es daher doch noch zu einem „harten No-Deal-Brexit“ kommen.

 

Der Ausstiegsvertrag legte fest, dass Nordirland zwar mit Großbritannien die EU verlassen, aber weiter deren Handels- und Zollgesetze anwenden sollte. Dazu zählen etwa die Höhe von Einfuhrzöllen, oder auch die Bedingungen, unter denen in Nordirland vertretene Firmen staatliche Subventionen erhalten können. Argumentiert wurde von den EU-Imperialisten, diese Regelungen würden verhindern, dass zwischen dem britisch besetzten Nordirland und dem weiter der EU zugehörigen Republik Irland erneut eine feste Grenze entsteht. Zollkontrollen zwischen der EU und Großbritannien sollten deshalb erst auf der Irischen See zwischen Nordirland und der britischen Insel stattfinden.

 

In Wirklichkeit wollen die EU-Imperialisten damit weiterhin den britischen Imperialimus so weit wie möglich an sich binden. So wollen sie sich zum einen auf die Art und Weise der Subventionierung von britischen Firmen einen Einfluss sichern. Diese müsste laut Brexit-Vertrag den EU-Richtlinien entsprechen. Die Johnson-Regierung will sich aber ihre Kompetenzen bei Eingriffen zugunsten der britischen Monopole nicht beschneiden lassen.Denn auch in Großbritannien kommt die neue weltweit angewandte Methode zum Tragen, dass sich die jeweiligen Imperialisten an den Monopolen ihrer Staaten beteiligen. Auch die Johnson-Regierung betreibt eine Subventionspolitik im großen Maße und stützt britische Monopole durch Subventionen bis hin zur Teilverstaatlichung. Das hat sogar der Deutschlandfunk festgestellt, der heute in einem Kommentar richtig bemerkte, dass dieses Vorgehen in gewisser Weise eine Zäsur mit der Politik der Thatcher-Jahre darstellt, als eine zu starke staatliche Intervention in die Wirtschaft als "Teufelswerke" galt.

 

Zum anderen würden weiterhin geltende Regeln des EU-Binnenmarkts für Nordirland die Möglichkeiten der britischen Regierung einschränken, Handelsabkommen unabhängig davon mit anderen Ländern abzuschließen. Das war aber eine Kernforderung der Brexit-Befürworter. Johnson kündigte deshalb an, dabei zukünftig nicht nach EU-Regeln sondern nach den Grundsätzen der Welthandelsorganisation (WTO) vorzugehen. Die EU forderte Johnson dagegen auf, bis Ende September die umstrittenen Passagen aus dem „Marktgesetz“zu streichen.

 

Hintergrund dieses erneut entbrannten Hauens und Stechens um den Brexit ist die erbitterte Konkurrenzschlacht zwischen den in der EU und in Großbritannien ansässigen internationalen Monopolen und Institutionen des Finanzkapitals. Der Austritt Großbritanniens als ehemals zweitgrößter Wirtschaftsnation der EU verschlechtert auch die weltweiten Konkurrenzbedingungen des EU-Imperialismus erheblich, der sich selbst tief in einer wirtschaftlichen und politischen Krise befindet.

 

Beide Seiten sind gleichzeitig nach wie vor wirtschaftlich eng miteinander verflochten. Die Briten wickeln bisher 50 Prozent ihres Handels mit der EU ab. Umgekehrt ist z. B. Großbritannien für Deutschland der fünftwichtigste Handelspartner. Mehr als ein Drittel der gesamten Finanztransaktionen der EU wird heute noch in Großbritannien abgewickelt. Ob mit oder ohne Freihandelsvertrag, der Brexit wird sowohl das imperialistisches Bündnis EU im sich ständig verschärfenden internationalen Konkurrenzkampf ökonomisch, militärisch und politisch erheblich schwächen und das imperialistische Großbritannien als einzelnes Land ebenfalls.

 

Dazu schreibt die Kommunistische Partei Großbritanniens (Marxistisch-Leninistisch) (CPGB (M-L): „Unabhängig davon, ob Großbritannien in der Lage ist, ein Handelsabkommen mit der Europäischen Union zu schließen, ist es zweifellos so, dass seine internationalen Profitinteressen mit seinem Rückzug aus dem blutrünstigen imperialistischen EU-Block einen schweren Schlag erlitten haben – eine Schwächung unseres Klassenfeindes, die sicherlich zu begrüßen ist. Allerdings könnte es sich als noch schlimmer erweisen, sich als Anhängsel des US-Imperialismus zu registrieren. … Es ist klar, dass es keinen Fortschritt für die Arbeiter gibt, solange die monopolkapitalistische herrschende Klasse auf dem Fahrersitz bleibt. Für uns heißt es: Sozialismus oder Barbarei!“ (eigene Übersetzung)

 

Der ganze Prozess des Brexit wird entsprechend auch immer wieder von riesigen Demos der Arbeiter und Massen in den britischen Städten begleitet.

 

Egal wie sich der imperialistische Konkurrenzkampf zwischen der EU und Großbritannien entwickelt – er ist in keinem Fall im Interesse der Arbeiterklasse, weder hier noch dort. Er wird in jedem Fall auf den Rücken der Arbeiter und breiten Massen ausgetragen – mit der Abwälzung der Krisenlasten, zunehmender Arbeitsplatzvernichtung und verschärfter Ausbeutung, wachsender Umweltzerstörung und wachsender Kriegsgefahr.

 

Für die internationale marxistisch-leninistische und Arbeiterbewegung ist weder das „Brexit-Ja" oder "Brexit-Nein“ noch das „Freihandels-Ja“ oder „-Nein“ das Problem. Für sie ist entscheidend, wie sie gegen Nationalismus und Spaltung ihre Kämpfe koordinieren und revolutionieren können. Der Kampf für die vereinigten sozialistischen Staaten der Welt ist ihre wirkliche Perspektive – weltweit.