Vorsitzende der Linkspartei macht Vorschlag
Vier-Tage-Woche umstritten
Die Ko-Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, hat gefordert, die Corona-Pandemie zum Anlass für die flächendeckende Einführung einer Vier-Tage-Arbeitswoche zu nehmen. Sie greift damit eine wichtige Forderung der Arbeiterbewegung auf, die vorhandene Arbeit auf mehr Hände und Köpfe zu verteilen.
Allerdings verknüpft Katja Kipping ihre Forderung nach einer flächendeckenden Einführung einer Vier-Tage-Arbeitswoche mit einer „Anschubfinanzierung“: Firmen, die die Arbeitszeit entsprechend verkürzten, sollten ein Jahr lang einen Lohnzuschuss bekommen als neue Art „Kurzarbeitergeld“. Danach müsse ein Tarifvertrag beziehungsweise eine Betriebsvereinbarung über eine Vier-Tage-Woche oder eine Höchstarbeitszeit von 30 Stunden ohne weitere staatliche Finanzierung abgeschlossen werden.
Wütende Reaktionen kamen unter anderem vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW), einer Einrichtung der Industriekonzerne. Der IW-“Arbeitsmarktexperte“ Holger Schäfer konterte in einem Interview: „Weil viele Menschen weniger arbeiten, produzieren sie weniger, und das ist das, was das Wesen der Wirtschaftskrise ausmacht. Der Vorschlag läuft ja darauf hinaus, das zu perpetuieren, die Wirtschaftskrise zum Dauerzustand zu erklären. Das ist etwas, was absurder kaum geht.“
Der „Experte“ verdreht hier gleich mehrere Dinge: Das Wesen der Weltwirtschaftskrise ist die im Kapitalismus gesetzmäßige Überakkumulation von Kapital bei nicht Schritt haltender Konsumtionsfähigkeit der Massen. Die dadurch jetzt stattfindende Kapitalvernichtung mit Massenentlassungen und Kurzarbeit führt zur Einschränkung der Produktion. Und warum soll eine Arbeitszeitverkürzung zu weniger Produktion führen, wenn gleichzeitig die vorhandene Arbeit auf mehr Hände und Köpfe verteilt wird?
Unser „Experte“ verdreht auch das Argument der Bezahlbarkeit des Lohnausgleichs: „Diese Produktivitätssteigerungen, von denen profitieren ja die Beschäftigten oder haben in der Vergangenheit profitiert, weil die Löhne ja dementsprechend gestiegen sind im Rahmen der Produktivitätssteigerung. Insofern ist das Fell des Bären schon verteilt.“ Es ist die bekannte Argumentation der Kapitalisten, dass „das Fell des Bären“ bereits in der Vergangenheit verteilt worden sei. Dabei spart er geflissentlich aus, dass nur ein kleiner Bruchteil des erwirtschafteten gesellschaftlichen Reichtums auch der Gesellschaft bzw. den Arbeiterinnen und Arbeitern zugute kommt. Den Hauptanteil eignen sich die Kapitalisten an. Der Lohnanteil am Umsatz betrug in der deutschen Industrie nur noch 7,1 Prozent! Das bedeutet, dass ein Industriearbeiter nur noch einige Minuten pro Stunde für seinen Lohn arbeitet, den Rest aber unentgeltlich den Kapitalisten zur Verfügung stellen muss.
Der volle Lohnausgleich ist also bezahlbar – nämlich auf Kosten der Superprofite der Kapitalisten! Es war deshalb auch unverantwortlich, dass sich die IG-Metall-Führung in diesem Jahr auf eine Nullrunde bei den Löhnen einließ und den Tarifkampf einfach aussetzte. Profitiert haben dadurch nur die Kapitalisten!
Es ist gar eine Frechheit, was unser IW-“Experte“ Schäfer zu den niedrigen Löhnen erklärt: „Das ist ja sogar positiv oder sogar notwendig, dass es unterschiedlich hohe Löhne gibt. Sonst gäbe es ja nicht mehr einen Anreiz, sich irgendwo zu qualifizieren.“ Nicht die Qualifikation entscheidet über den Lohn, sondern die unterschiedlichen Löhne spalten die Belegschaften und zwingen zu Niedriglöhnen! Über den Lohn können die Arbeiter und Angestellten nur mitbestimmen über den Kampf, über den Streik!
Kippings Vorschlag ist allerdings auch kritikwürdig: Warum soll die Einführung der Vier-Tage-Woche bzw. einer 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich ein Jahr lang durch eine neue Art Kurzarbeitergeld finanziert werden? Das bedeutet ja, dass die Arbeiter und Angestellten wieder für die Weltwirtschaftskrise zur Kasse gebeten werden.
Auch ihre Begründung, die Arbeitszeitverkürzung würde zu einer höheren Produktivität führen und wäre deshalb „kostenneutral“, folgt dem reformistischen Konzept der Klassenzusammenarbeit: „Kapitalisten, auch ihr profitiert von der Arbeitszeitverkürzung.“ Die Erfahrung der Arbeiterbewegung ist, dass um Lohnerhöhung und Arbeitszeitverkürzung die heftigsten Kämpfe notwendig sind.
Es ist angesichts der Weltwirtschaftskrise, der Kurzarbeit und angekündigten und bereits vollzogenen Massenentlassungen tatsächlich an der Zeit, dass die Arbeiter und Angestellten mit der Forderung nach der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich voll in die Offensive gehen.
Sie ist die wichtigste ökonomische Forderung auf dem Weg zur Arbeiteroffensive. Die Forderung und die Offensive werfen auch die Frage auf, warum wir mit der privaten Aneignung des gesellschaftlichen Reichtums durch das Kapital nicht Schluss machen sollten. Eine solche Perspektive ohne Ausbeutung und Unterdrückung durch den echten Sozialismus erfordert eine Stärkung der revolutionären Kräfte, der MLPD.