TKP/ML-Prozess

TKP/ML-Prozess

Gesinnungsprozess endet mit Skandalurteilen - Absicht eines Schauprozesses vereitelt

Am heutigen 28. Juli endete der Kommunistinnen- und Kommunisten-Prozess von München mit skandalösen Urteilen für die Angeklagten:

Von Korrespondenz aus München / gis
Gesinnungsprozess endet mit Skandalurteilen - Absicht eines Schauprozesses vereitelt
Einige der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Solidaritätskundgebung (rf-foto)

Folgende Urteile wurden gesprochen: Müslüm Elma: sechs Jahre und sechs Monate Haft; Deniz Pektas: fünf Jahre Haft; Erhan Aktürk: vier Jahre und sechs Monate Haft; Dr. Sinan Aydin: drei Jahre und sechs Monate Haft; Dr. Banu Büyükavci: drei Jahre und sechs Monate Haft; Seyit Ali Ugur: vier Jahre und sechs Monate Haft; Mehmet Yesilcali: zwei Jahre und neun Monate Haft; Haydar Bern: drei Jahre und vier Monate Haft; Sami Solmaz: drei Jahre Haft und Musa Demir: drei Jahre und vier Monate Haft. Zusätzlich müssen die Angeklagten die Kosten des Verfahrens und die Auslagen tragen. Die Auslieferungshaft, die Deniz Pektas, Sami Solmaz und Seiyit Ali Ugur ertragen mussten, werden zu hundert Prozent an die Haftstrafen angerechnet.

 

All das, weil sie Marxisten-Leninisten sind. Ansonsten wurde ihnen nichts vorgeworfen. Die Kommunistische Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistisch (TKP/ML) ist in Deutschland noch nicht mal eine verbotene Organisation!

 

Die Richter blieben in ihren Urteilen bezüglich des Strafmaßes in vielen Fällen unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft, was ihre Defensive zum Ausdruck bringt. Bei Sami Solmaz sind sie am weitesten unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft geblieben.

 

Trotzdem wurden die Urteile ausdrücklich mit der Gesinnung der Angeklagten begründet. Unter anderem damit, dass sie Marxisten-Leninisten sind. Der Prozess ist eine einzige Kriminalisierung von Revolutionärinnen und Revolutionären. Allerdings mussten die Richter auch hier Zugeständnisse machen: So mussten sie eingestehen, dass der Gründer der TKP\ML, der Revolutionär Ibrahim Kaypakkaya, in türkischer Haft durch Folter ermordet worden ist.

 

Im Gegensatz zum Gros der vorangegangenen Prozesstermine war heute auch das Medieninteresse groß. So war unter anderem der Bayerische Rundfunk vor Ort und die Tagesschau berichtete.

 

Auf der Solidaritätskundgebung, die ab 10 Uhr vor dem Oberlandesgericht in München stattfand, und die sich durch ein breites Spektrum an Anwesenden auszeichnete, wirkte ein bemerkenswerter internationalistischer Geist: Unter anderem waren Revolutionäre aus der Schweiz, aus Griechenland und aus Österreich vor Ort. Es sprachen Rednerinnen und Redner der Organisationen ATIK, Partizan, BIR-KAR, ADHK, AGIF, MLKP, MLPD, vom Internationalistischen Bündnis, von Solidarität International, von der Roten Hilfe, vom Roten Block Mexiko und vom Frauenverband Courage. Auch ein Vertreter von AGEB konnte auf dem Lautsprecherwagen des Bündnisses ATIK eine Rede halten.

 

Etwa 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmer fanden sich vor Ort ein. Die Kundgebung war sehr lebendig. Viele Reden wurden immer wieder von Musik unterbrochen.

(rf-foto)
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Peter Weispfenning und Müslüm Elma freuen sich darüber, dass Müslüm Elma das Gefängnis endlich verlassen durfte.

Die Rednerinnen und Redner zogen in ihren Beiträgen die Bilanz von vier Jahren engagiertem und ausdauerndem Kampf um die Freilassung der angeklagten Revolutionärinnen und Revolutionäre. In den Beiträgen kam immer wieder Hochachtung vor den Angeklagten und ihrem ungebrochenen Kampfeswillen und Durchhaltevermögen zum Ausdruck. Immer wieder wurde der Kampf gegen den Antikommunismus thematisiert und in den Mittelpunkt gestellt.

 

Peter Weispfenning vom Zentralkomitee der MLPD richtete den türkischen Genossinnen und Genossen herzliche und internationalistische Grüße der Parteivorsitzenden der MLPD, Gabi Fechtner, aus. Er verurteilte die Richtersprüche als Skandalurteil und stellte den kompletten Prozess samt der verhängten Urteile als das dar, was sie sind: Gesinnungsjustiz gegen Menschen mit revolutionärer Einstellung und Marxisten-Leninisten! Er betonte aber auch, dass es dem Gericht nicht gelungen ist, daraus einen antikommunistischen Schauprozess zu machen. Weiter betonte er, dass die Zeit für eine Bewegung „Gib Antikommunismus keine Chance!“ reif ist. Der Antikommunismus und die mit ihm einhergehende Geschichtsfälschung müsse endlich zu dem Schimpfwort werden, was er ist.

 

Auf eine Demonstration musste bedauerlicherweise verzichtet werden, da sich der komplette Gerichtstermin noch bis in den späten Nachmittag hinzog.

 

Eine Teilnehmerin berichtet: „Trotz der brutalen Hitze von 40 Grad stehen wir alle hier, und warten auf die Revolutionärinnen und Revolutionäre. Es ist für uns Ehrensache, dass wir sie gebührend empfangen werden.“

 

Eine andere Teilnehmerin erzählt: "Kurz vor 16 Uhr, es sieht so aus, als ob das hohe Gericht heute nochmal alles geben will und den Prozesstag nicht eher beendet, als bis alle den Platz vor dem Gericht geräumt haben. Gerade wollten wir die Kundgebung beenden, da bahnt sich die Nachricht aus dem Gerichtssaal ihren Weg zu den Menschen davor: Müslüm Elma ist frei! Um 16.15 Uhr war es soweit: Die Angeklagten mit ihren Anwältinnen, Anwälten und Übersetzerinnen kamen aus dem Gerichtsgebäude. Müslüm Elma unter ihnen! Hunderte bereiteten ihm einen begeisterten Empfang. "Hoch die internationale Solidarität" wird gerufen. Die "Internationale" wird angestimmt. Müslüm Elma bestieg den Lautsprecherwagen und hielt nach mehr als fünf Jahren seine erste Rede in Freiheit: „Sie wollten, dass wir aufgeben. Aber das haben wir nicht gemacht. Mit eurer unermüdlichen Solidarität waren wir stark. Wir haben uns nicht unterkriegen lassen. Wir haben den Kampf weitergeführt, im Gericht und auf den Straßen. Ich danke euch. Das ist die Haltung der Sozialisten, der Kommunisten. Wir müssen schrittweise noch mehr zusammenkommen und noch besser zusammenarbeiten.“

 

Alle Haftbefehle sind erstmal ausgesetzt. Das ändert nichts an den drakonischen Strafen, aber es ist schon ein erhebender Augenblick für alle: Die Angeklagten, ihre Genossinnen und Genossen, ihre Freunde und alle, die über Jahre die Solidarität organisiert haben und darin nicht nachgelassen haben. Das hat den Unbeugsamen in der Haft und vor Gericht so sehr den Rücken gestärkt.