Esslingen
Angreifer auf Frauentagsveranstaltung wird vom Amtsgericht verurteilt
Am 9. März 2019 veranstaltete das Internationale Frauenbündnis Esslingen eine Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz. Viele Zuhörer verfolgten die Reden. Infostände und Essensstände waren wunderbar geschmückt, Transparente der beteiligten Organisationen (Frauenverband Courage, MLPD, Personenwahlbündnis FÜR Esslingen und die kurdische Frauenorganisation Limarin) zu sehen.
Es war eine rundum gelungene Veranstaltung. Am Rande ereignete sich jedoch ein Vorfall, der jetzt mehr als ein Jahr später, am vergangenen Donnerstag, vor Gericht verhandelt wurde.
Ein aggressiver Passant störte massiv die Kundgebung und beleidigte die anwesenden Frauen in türkischer Sprache lautstark sexistisch. Wiederholt bezeichnete er sie als Nutten und Terroristinnen, und filmte sie demonstrativ mit seinem Handy. Stein des Anstoßes war für Kasim K. die Kritik am türkischen Präsidenten Erdoğan, gegen dessen Einmarsch nach Rojava mehrere Redebeiträge gehalten wurden.
Einer unserer Ordner, der versuchte, ihn zu beruhigen und zum Weitergehen zu bewegen, wurde von ihm mit der flachen Hand in den Bauch geschlagen. Er zerknüllte unser Flugblatt und warf es der verteilenden Frau ins Gesicht. Sowohl der Nebenkläger als auch zwei der Zeuginnen schilderten vor Gericht anschaulich dieses aggressive Verhalten des Angeklagten und die Versuche, die Situation zu deeskalieren. Mehrere der Anwesenden versuchten, die Polizei zu erreichen, die jedoch erst nach 45 Minuten aufgrund der Intervention des Esslinger Oberbürgermeisters erschien. Dieser hatte allerdings bei der Polizei angerufen, weil der Täter ihn um Hilfe gebeten hatte.
Ein großer Erfolg war, dass die Staatsanwalt selbst Anklage gegen Kasim K. erhob. Vor Gericht wie auch schon bei der Kundgebung versuchte dieser sich selbst als Opfer darzustellen. Aber weder Richterin noch Staatsanwalt ließen sich davon beeindrucken, sondern stellten ihm die Frage, warum er dann nicht einfach weitergegangen sei. Seine Ignoranz gegenüber einer angemeldeten Veranstaltung, seine Respektlosigkeit gegenüber Frauen und seine Versuche, sich als Ordner und Hüter des türkischen Staates aufzuspielen, kamen auch darin zum Ausdruck, dass er vor Gericht aussagte, es könne nicht sein, dass in "seinem" Esslingen an einem Samstagmorgen Terrorpropaganda gemacht würde! Und „Ich kann mich solange auf diesem Platz aufhalten, wie ich will.“
Kasim K. ist kein unbeschriebenes Blatt. Er wurde bereits wegen mehr als 60 Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz, also Rauschgiftdelikten, zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Er ist Architekt der Esslinger DITIB-Moschee, die eng verbunden ist mit nationalistischen Kreisen und den faschistoiden, chauvinistischen und offen ultrareaktionären Kurs des türkischen Präsidenten Erdoğan unterstützen.
Nach Recherchen der ARD gibt es eine Anweisung des türkischen Religionsattachés, dass in den DİTİB-Moscheen (auch) in Deutschland die Gläubigen für Erdoğans Krieg in Syrien zu Geschlossenheit aufgerufen werden soll. Im Januar 2018 ließ die Diyanet in den DİTİB-Moscheen mit der Eroberungssure des Koran für einen Erfolg der türkischen Militäroffensive gegen die Kurden in Syrien beten.
Es wirft auch ein Schlaglicht auf den Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger, wenn er von solch einem aggressiven, reaktionären und frauenverachtenden Menschen als sein Freund bezeichnet wird, und ihm dann auch tatsächlich am Frauentag mit einem Telefonanruf bei der Polizei zu Hilfe eilte.
Während der Anwalt des Angeklagten die Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen forderte, verhing die Richterin eine härtere Strafe als zuerst auferlegt worden war. Kasim K. wurde zu 40 Tagessätzen zu je 40 € verurteilt und muss sämtliche Gerichts- und Anwaltskosten sowie die Auslagen der vier Zeuginnen zahlen. Die Richterin machte deutlich, dass sowohl die Äußerungen des Angeklagten als auch sein Verhalten an solch einem Tag auf keinen Fall angebracht war. Auch der Staatsanwalt verurteilte die sexistischen Äußerungen insbesondere vor dem Hintergrund des Inhalts der Veranstaltung.
Bei einer Kundgebung nach der Verhandlung machte das Frauenbündnis und der Nebenkläger die Geschehnisse öffentlich und bewerteten das Gerichtsurteil als einen großen Erfolg.