TKP/ML-Prozess München
Revolution ist kein Verbrechen – Freiheitskampf gegen Faschismus ist kein Terrorismus!
Der Vertreter des Generalbundesanwalts forderte vor Kurzem hohe Freiheitsstrafen im Münchener Kommunistenprozess
Im - seit dem 17. Juni 2016 andauernden - Mammutprozess beim 7. Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichtes München (OLG) gegen zehn Revolutionärinnen und Revolutionäre aus der Türkei forderte der Vertreter des Generalbundesanwalts (GBA) am 221. Verhandlungstag hohe Freiheitsstrafen:
Müslüm Elma, der als Mitglied des Zentralkomitees und Leiter des Auslandskomitees der Kommunistischen Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistisch (TKP/ML) angeklagt wurde, soll als angeblicher „Rädelsführer“ eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten erhalten. Wegen angeblicher Mitgliedschaft im sogenannten Auslandskomitee der TKP/ML sollen Haydar Bern, Musa Demir, Sami Solmaz, Dr. Sinan Aydin und Frau Dr. Banu Büyükavci je vier Jahre Freiheitsstrafe, Erhan Aktürk und Seyit Ali Ugur vier Jahre und neun Monate, Deniz Pektas fünf Jahre und Mehmet Yesilcali drei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe erhalten.
Die angeklagten Genossinnen und Genossen waren Mitte April 2015 in einer konzertierten konterrevolutionären Aktion der Staatsapparate und Geheimdienste verhaftet worden. Unter Federführung des deutschen Staatsapparates wurden die in Österreich, Frankreich, Griechenland und in der Schweiz Verhafteten an Deutschland ausgeliefert. Alle Angeklagten waren lange in Isolationshaft. Aufgrund der ungebrochenen Solidarität wurden neun Angeklagte während des laufenden Strafverfahrens freigelassen. Müslüm Elma – der bereits 21 Jahre in der Türkei inhaftiert war – befindet sich jedoch immer noch in Haft. Gegen diesen Revolutionär soll ganz offensichtlich ein reaktionäres Exempel statuiert werden. Durchgehend bis heute haben die angeklagten Genossinnen und Genossen ihre offensive und kämpferische Einstellung bewahrt, und sind erhobenen Hauptes den diffamierenden Anklagevorwürfen entgegengetreten.
Die GBA beantragt, sie wegen Rädelsführerschaft bzw. Mitgliedschaft in einer 'terroristischen Vereinigung im In- bzw. Ausland' nach § 129a / b des StGB (Strafgesetzbuch) zu verurteilen. Die TKP/ML wird in der Türkei als terroristische Vereinigung bezeichnet, weil sie am revolutionären Weg der Befreiung festhält und den Kampf gegen das faschistische Erdoğan-Regime auch bewaffnet führt. Seitens der Bundesregierung wurde durch den damaligen SPD-Justizminister Heiko Maas eine sogenannte Verfolgungsermächtigung gegen die TKP/ML erteilt. Diese politische Entscheidung, eine revolutionäre Organisation als angeblich „terroristisch“ zu verfolgen, macht Verfahren wie das in München überhaupt erst möglich. Die Bundesregierung maßt sich damit an, weltweit Gericht über Befreiungsbewegungen zu halten und diese und die Solidarität mit ihnen als „terroristisch“ zu kriminalisieren.
Es handelt sich ausdrücklich um ein antikommunistisches Pilotverfahren, welches ansetzend an dem KPD-Verbotsurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1956 dazu beitragen soll, revolutionäre Tätigkeit zu kriminalisieren. In einem Musterurteil sollen weitergehende Möglichkeiten geschaffen werden, Antifaschisten, Linke und Revolutionäre anzuklagen, einzusperren und – wenn sie nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben – abzuschieben.
Ausdrücklich diffamierte der Vertreter des GBA in seinem Plädoyer den Marxismus-Leninismus und die Mao-Zedong-Ideen als Grundlage des „Terrorismus“. So führte er aus: „Die TKP/ML wurde im Jahr 1978 von Ibrahim Kaypakkaya gegründet. Neben der Ideologie des Marxismus-Leninismus folgt sie auch den Mao-Tsetung-Ideen. Sie hat sich zum Ziel gesetzt die derzeitige Staatsform in der Türkei abzuschaffen und eine kommunistische Gesellschaft einzuführen. Dabei hält sie den bewaffneten Kampf für ein legitimes Mittel zur Durchsetzung.“
Der Prozess ist so auch aktueller Ausdruck des Antikommunismus, der immer auch eine unmittelbar repressive Seite hat. Die Herrschenden haben angesichts der sich deutlich verstärkenden Krisenhaftigkeit des imperialistischen Systems Angst vor revolutionären Veränderungen, und reagieren darauf mit verstärkter antikommunistischer Hetze und Repression.
Vom ersten Prozesstag an wurde von der Solidaritätsbewegung das Verfahren genutzt, um die Komplizenschaft von faschistischem Erdoğan-Regime und Bundesregierung anzuprangern, die sich in ihrer Feindschaft gegen den Befreiungskampf in der Türkei, in Deutschland und weltweit einig sind. So betonte das Münchner Gericht in mehreren Beschlüssen ausdrücklich auch das eigene Interesse des deutschen Staates an der Durchführung des Verfahrens. Während die Bundesregierung z.B. die mit dem türkischen Regime verbundenen islamistisch-faschistischen Terrorbanden bei deren Einmarsch mit der türkischen Armee in Rojava/Syrien oder in Idlib unterstützt, geht sie gleichzeitig repressiv mit Straf- und Verbotsverfahren gegen antiimperialistische und revolutionäre Kräfte aus der Türkei und Kurdistan – wie die PKK (Arbeiterpartei Kurdistan), DHKP/C und TKP/ML – vor.
Bereits zu Beginn des Prozesses hatte Müslüm Elma zu Recht auf folgendes hingewiesen: "Der 'Terrorismusvorwurf'" ersetzt alle konkreten Vorwürfe und Beweise. Welcher Staat wird durch das deutsche Strafrecht und die deutsche Justiz eigentlich geschützt? Als würden in der Türkei die Rosen der Demokratie und Freiheit blühen und wir würden hier vor Gericht stehen, weil wir sie abgeholzt hätten. Als würden die Kurden nicht seit Generationen verfolgt. Seit unserer Inhaftierung haben wir, unter den schweren Umständen unter denen wir leben, die herzliche Solidarität unserer Familien, der Intellektuellen, der demokratischen Organisationen, der revolutionären und patriotischen Presse und revolutionären Freunde gespürt. Sie sind wir geworden und wir sie. Die gleiche Herzlichkeit kann man auch heute in diesem Saal spüren. Wir werden auch weiterhin beharrlich die Wahrheit unter allen Umständen verteidigen.“
Selbst der Vertreter der GBA musste in seinem Schlussvortrag einräumen, dass etliche Vorwürfe aus der Anklage nicht aufrecht erhalten werden können und beantragte, Müslüm Elma nach nunmehr fünf Jahren und drei Monaten aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Dennoch ignorierte er durchgängig den diktatorischen Charakter des Erdoğan-Regimes, sprach der TKP/ML – aber auch allen anderen antifaschistischen und revolutionären Kräften in der Türkei – das Recht ab, gegen dieses auch bewaffnet und revolutionär zu kämpfen, und beantragte die im Vergleich zu anderen Verfahren hohen Haftstrafen. Antifaschistischer Widerstand ist jedoch kein Terrorismus sondern gerecht! Der revolutionäre Kampf um Freiheit und Sozialismus ist kein Verbrechen sondern eine Notwendigkeit und berechtigt!
Seit der Verhaftung der Angeklagten bis heute hat sich eine breite Solidarität in der BRD und international entwickelt. Die MLPD und das Internationalistische Bündnis haben sich von Beginn an aktiv daran beteiligt und fordern, die angeklagten Revolutionäre freizusprechen, da die TKP/ML keine terroristische Organisation und der Widerstand gegen das faschistische Regime berechtigt ist.
Wir fordern weiter die sofortige Freilassung von Müslüm Elma. Trotz des Antrags des Vertreters des GBA hat das Gericht dazu noch keine Entscheidung getroffen und will Müslüm Elma möglicherweise noch länger in Haft halten.
Im Prozess folgen nun die Plädoyers der Verteidigung und die Schlusserklärungen der angeklagten Genossen. Nächste Prozesstermine: 16., 17., 22., 23. und 24. Juni 2020. Mit einer Urteilsverkündung ist Anfang Juli 2020 zu rechnen.