Koalitionsstreit

Koalitionsstreit

Streit um die Grundrente

Seit 2009 haben schon drei Koalitionen in Berlin in ihrem Koalitionsvertrag die Einführung einer Grundrente versprochen – jetzt verschärft der Streit um ihre Umsetzung die Widersprüche zwischen den Regierungsparteien SPD und CDU/CSU.

Von gp
Streit um die Grundrente
(foto: Alexas_Fotos / Pixabay)

Ein für Montagabend anberaumter Termin zwischen den Spitzen von CDU/CSU und SPD zur Einigung auf einen Kompromiss zur Grundrente wurde abgesagt und auf den 10. November verschoben. Vordergründig streiten sich CDU und CSU mit der SPD um die Frage, ob oder wieweit die Grundrente von einer „Bedürftigkeitsprüfung“ abhängig gemacht werden soll.

Grundrente unzureichend

Mit ihren Überlegungen zu einer Grundrente reagieren die bürgerlichen Parteien auf die wachsende Empörung darüber, dass selbst Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, teilweise nur noch Grundsicherung auf Hartz-IV-Niveau erhalten. CDU/CSU und SPD waren sich über eine Grundrente für Geringverdiener einig, die zehn Prozent über der Grundsicherung liegen soll. Erhalten soll sie, wer mindestens 35 Jahre lang gearbeitet und Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt hat. Berücksichtigt werden dabei auch Jahre der Kindererziehung und Pflege von Kindern. Da die Grundsicherung heute 814 Euro beträgt, würde die Grundrente dann bei etwa 900 Euro liegen.

 

Das Abrücken der SPD von der im Koalitionsvertrag vereinbarten „Bedürftigkeitsprüfung“ geschah vor dem Hintergrund weiter dramatisch fallender Umfragewerte. Es ist der klägliche Versuch von Arbeitsminister Hubertus Heil, der SPD wieder einen sozialen Anstrich zu verpassen. Es ist allerdings eine Verhöhnung der Menschen, die 35 Jahre und länger hart gearbeitet haben, wenn Heil ihnen eine Grundrente von gerade mal 900 Euro als „Anerkennung ihrer Lebensleistung“ zu verkaufen versucht. Sozialverbände gehen davon aus, dass man heute mindestens 1.050 Euro netto für ein Leben im Alter benötigt.

Ein Monopolverband griff ein ...

In langen Nachtsitzungen hatte sich eine Arbeitsgruppe der Regierungsparteien am letzten Freitag auf einen Kompromiss geeinigt: zwar sollte auf das Wort „Bedürftigkeitsprüfung“ verzichtet werden - die Finanzämter sollten aber „das zu versteuernde Einkommen“ den Berechnungen zugrunde legen.  Auch das ist jedoch ungerecht und würde zum Beispiel dazu führen, dass man bei einem Ehepartner, der mehr verdient, auch seinen Anspruch auf Grundrente verliert.

 

Aber selbst dieser Kompromiss geht führenden Monopolen viel zu weit. Der Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbands BDA, Steffen Kampeter, wandte sich mit einem Brandbrief an den Fraktionsvorsitzenden der CDU, Ralph Brinkhaus, in dem er forderte, „dringend“ den ausgehandelten Kompromiss abzulehnen. „Es darf nicht sein, dass immer weitere Milliarden für das Koalitionsklima statt für dringend nötige Infrastruktur- und Zukunftsmaßnahmen investiert werden“, heißt es in dem Brief.

 

Die Rente ist aber kein „Geschenk“, sondern Lohnbestandteil, der von den Arbeiterinnen und Arbeitern hart erarbeitet wurde! Es ist auch keine Frage fehlender finanzieller Mittel. In Wirklichkeit steigt die Arbeitsproduktivität deutlich schneller als die Zahl der Rentner. Der Anteil der Rentenausgaben am Bruttosozialprodukt sank seit 2000 von damals 10,5 auf nur noch 8,9 Prozent 2018. Die Senkung der Renten ist nichts anderes als ein gewaltige Umverteilung des Volkseinkommens im Interesse der Monopole, von unten nach oben.

Einheitlicher Zuschlag notwendig

Statt der entwürdigenden Bedürftigkeitsprüfung oder eines zehnprozentigen Zuschlags nur für Geringverdiener ist es notwendig, allen Arbeitern und Angestellten, die 35 Jahre und mehr gearbeitet haben, einen einheitlichen Zuschlag bei den Rentenpunkten zu geben, so dass diese auch nicht mehr in die Grundsicherung rutschen. Dies kommt allen Arbeitern und Angestellten zu Gute, die so lange gearbeitet haben - sowohl den Geringverdienern als auch etwas besser verdienenden Facharbeitern.

 

Die Berechnung der persönlichen Altersrente beim Ausscheiden mit dem Renteneintrittsalter ergibt sich aus der Multiplikation des aktuellen Rentenwertes mit der Summe der im Lauf des Berufslebens angesammelten persönlichen Entgeltpunkte. Je nachdem, ob das persönlichen Einkommen unter oder über dem Durchschnittseinkommen aller Versicherten des gleichen Kalenderjahres lag, beträgt auch der persönliche Entgeltpunktes mehr oder weniger als der Durchschnittswert von 1,0.1

 

Um einen vollen Entgeltpunkt zu bekommen, muss man heute im Westen 38.901 Euro und im Osten 35.887 Euro im Jahr verdienen. Viele Arbeiterinnen und Arbeiter, vor allem Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter wie auch Geringverdiener liegen aber erheblich unter dem Durchschnittsverdienst. Das heißt, ihr Entgeltpunkt liegt zum Teil weit unter 1,0. Mit der jährlichen Rentenanpassung zum 1. Juli wird von der Bundesregierung der sogenannte Rentenwert festgelegt - aktuell 33,05 Euro in den alten und 31,89 Euro in den neuen Bundesländern.

Zusätzliche Finanzierung über Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze

Ein einheitlicher Zuschlag bei den Rentenpunkten könnte aktuell finanziert werden durch eine Erhöhung oder gar Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze. Diese liegt gegenwärtig bei 6.700 Euro pro Monat in Westdeutschland und 6.150 Euro in Ostdeutschland. Eine Erhöhung der Grenze um 1.000 Euro pro Monat würde bereits 250 Millionen Euro zusätzlich in die Rentenkasse bringen - die vor allem von Großverdienern bis hin zu Superreichen bezahlt würden.

 

Schätzungen gehen davon aus, dass eine generelle Abschaffung mehrere Milliarden Euro an zusätzlichen Einnahmen bringen würde. Bei einer deutlichen Erhöhung oder Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze wären die geschätzten Ausgaben für die Grundrente von rund drei Milliarden Euro im Jahr leicht zu finanzieren.

 

Gleichzeitig geht es nicht nur um die wachsende Altersarmut von Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben. Diese wächst vor allem auch dadurch, dass viele Menschen wegen Arbeitslosigkeit, Kindererziehung, Krankheit usw. überhaupt nicht mehr auf so viele Beitragsjahre kommen. Die MLPD hat umfassende weitergehende Forderungen zur Erhöhung des Rentenniveaus, Senkung des Renteintrittsalters und zur Finanzierung der Sozialversicherungen auf Kosten der Profite aufgestellt.

Die MLPD fordert:

  • Herabsetzung des Rentenalters auf 60 Jahre für Männer und 55 Jahre für Frauen und für Schicht- und Schwerarbeiter – bei vollem Rentenausgleich!
  • Erhöhung des Rentenniveaus auf 70 Prozent des Nettoverdienstes! Einheitliche Renten auf Westniveau in Ost und West! Keine Besteuerung von Rentenbezügen!
  • Gegen Niedriglöhne, Minijobs, Leiharbeit, Werkverträge – für höhere Löhne und Gehälter, einheitlich in Ost und West! 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich!
  • Weg mit den Hartz-Gesetzen! Sofortige Einführung einer Mindestsicherung von gegenwärtig 1050 Euro. Für die Erhöhung des Arbeitslosengeldes und die unbegrenzte Fortzahlung für die Dauer der Arbeitslosigkeit!
  • Einbeziehung der alten, kranken und behinderten Menschen in das gesellschaftliche Leben und volle Übernahme aller Kosten für ein menschenwürdiges Leben durch Monopole und Staat!
  • Änderung der Berechnung der Rente und Anspruch auf Grundrente!
  • Abschaffung des Riester- und Nachhaltigkeitsfaktors bei der Berechnung des Rentenwerts
  • Zur Finanzierung der Grundrente muss die sogenannte Beitragsbemessungsgrenze (6.700 Euro West bzw. 6.150 Euro Ost) angehoben werden. Über diese Grenze hinaus zahlen die Reichen nämlich gar nicht mehr ein. So könnte die Rentenkasse zusätzlich Milliarden Euro einnehmen.
  • Volle Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge durch eine umsatzbezogene Unternehmenssteuer von gegenwärtig etwa 8 Prozent! Renten sind Lohnbestandteile, deshalb sollen sie die Kapitalisten zu 100 Prozent zahlen.