Tübingen
Medizinische Behandlung in Erstaufnahmestelle wird behindert
Die Gruppe Tübingen/Reutlingen des Frauenverbands Courage e.V. hat die folgende Erklärung auf ihrem Mitgliedertreffen am 26. Juli verabschiedet:
Nicht zum ersten Mal steht die Erstaufnahmestelle (EA) in Tübingen in der Kritik. Vor allem Frauen aus Afrika sind dort untergebracht. Viele von ihnen haben auf ihrer Flucht Furchtbares erlebt, waren Misshandlungen, Folter, sexueller Gewalt und Zwangsprostitution ausgesetzt. Dabei kam es auch zu Infektionen mit HIV und Hepatitis C. Nun wurde publik, dass die umgehend notwendige Behandlung dafür vom Regierungspräsidium in bürokratischer Weise behindert und verschleppt wird – oft über Monate hinweg. Dr. Kaiser, der die besonders schutzbedürftigen Frauen in der EA betreut hat, hat deshalb seinen Dienst quittiert: „Ich kann unter den jetzigen Bedingungen nicht weiterarbeiten“¹
Es gibt keine rechtliche Grundlage, die Tests auf HIV und Hepatitis durchzuführen. Dr. Kaiser fordert, dass jede der betroffenen Frauen die Möglichkeit haben muss, in vertrauensvollem Gespräch von einem Arzt über die Möglichkeit einer Ansteckung aufgeklärt zu werden. Er berichtet von seiner Erfahrung, dass die Frauen sehr erleichtert auf diese Aufklärung reagiert haben, und sich haben testen lassen.
Regierungspräsidium verschleppt die Gutachten
Statt bei einem positiven HIV-Test sofort mit der Behandlung beginnen zu können, wird mit dem Verweis auf das Asylbewerbergesetz die Diagnose mit einem Gutachten vom Regierungspräsidium überprüft. Der Arzt erhält das Gutachten nicht, und durch die bürokratische Verschleppung konnte in Einzelfällen erst nach Monaten mit der lebensnotwendigen Behandlung begonnen werden.
Zwangstestung wäre erneut traumatisierend
Erneut traumatisierend wäre eine Zwangstestung, wie Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (B90/Grüne) nach bayerischem Vorbild vorschlägt. Zwangstestung zerstört Vertrauen und kann zur Stigmatisierung führen.
Das Regierungspräsidium stuft die Diagnose HIV-positiv als chronische Krankheit ein und nicht als akute Krankheit. So wurden notwendige und wirksame Behandlungen Monate verschleppt und das Leben und die Gesundheit von schutzbedürftigen Frauen in fahrlässiger Weise aufs Spiel gesetzt.
Der Frauenverband Courage fordert:
Sofortige, umfassende Aufklärung und Beratung der Frauen in der EA, mit der Möglichkeit sich auf Infektionskrankheiten testen zu lassen. Umgehende Behandlung aller infizierten Frauen. Keine Abschiebung infizierter Frauen, Anerkennung frauenspezifischer Fluchtgründe als Asylgrund.