Regierungspläne
§ 218/219: Gegen das Symbol der besonderen Unterdrückung der Frau
Die Bundesregierung behauptet, durch ihren großartigen "Kompromiss" zum Paragrafen 219a sei Aufklärung und Information über Schwangerschaftsabbrüche künftig straffrei. Doch am Kern der reaktionären Gesetze ändert sich nichts.
Wer Schwangerschaftsabbruch als Leistung anbietet und darüber im Internet informiert, macht sich bisher strafbar. Dagegen protestieren seit Monaten Frauen, Männer und besonders auch Ärztinnen und Ärzte. Am 26. Januar gab es Demonstrationen in 30 Städten für die Aufhebung des Paragrafen 219a, aber auch der gesamten Paragrafen 218 und 219 zur Reglementierung von Schwangerschaftsabbrüchen.
Nun hat sich die Große Koalition zu einem Gesetzesentwurf durchgerungen, der am 6. Februar verabschiedet werden soll. Er enthält das geringfügige Teilzugeständnis, dass Ärzte darüber informieren dürfen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen und wo man weitere Informationen dazu erhält. Die Bundesärztekammer soll Listen mit Ärzten und Kliniken veröffentlichen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.
In Kürze:
- Gesetzentwurf der Regierung zum Paragraf 219a enthält nur minimale Zugeständnisse
- Reaktionäres Teilverbot von Schwangerschaftsabbrüchen bleibt erhalten
- Der Kampf dagegen und gegen den Paragrafen 219a im Besonderen geht weiter
Am eigentlichen Gesetz zu Schwangerschaftsabbrüchen soll sich jedoch nichts ändern. Lediglich ein neuer Absatz wird angehängt. Weitere Auskünfte wie konkrete Behandlungsmethoden dürfen Ärzte auch künftig nicht veröffentlichen.
Dazu die Gießener Ärztin Kristina Hänel, deren Strafverfolgung nach Paragraf 219a große Solidarität und breiten Protest hervorgerufen hat: "Mediziner dürfen weiterhin nicht als Fachleute informieren. ... Das bleibt ... verboten. … Diese Frauen sind in Not, die haben Zeitdruck, die können nicht zehn Ärzte besuchen. … Warum soll ausgerechnet die Gruppe, die sich am besten auskennt, ein Sprechverbot bekommen?“1
FDP und Grüne im Boot der kämpferischen Frauenbewegung?
Schon die Formulierung des Gesetzes, dass es sich dabei um ein „Werbeverbot" handle, ist eine Irreführung. Damit wird sachliche Information in den Geruch der Geschäftemacherei durch Ärzte gebracht. Werbung ist Ärzten allgemein verboten. Gestattet ist nach Paragraf 27 der (Muster-)Berufsordnung der deutschen Ärzte (MBO) lediglich „die sachlich berufsbezogene Information“. Nichts anderes tat auch die Ärztin Kristina Hänel auf ihrer Webseite – und wurde trotzdem bestraft!
Berechtigte Kritik daran kommt auch von führenden Politikern der Grünen und der FDP. Haben sie plötzlich ihr Herz für zentrale Anliegen der kämpferischen Frauenbewegung entdeckt? Sowohl Grüne wie FDP waren an zahlreichen Bundesregierungen beteiligt, in denen sie längst Gelegenheit gehabt hätten, damit Ernst zu machen. Wie jetzt auch bei der SPD müssen stets die anderen "Koalitionspartner" als Rechtfertigung für das eigene "Umfallen" herhalten.
Mit Zähnen und Klauen ...
Seit 1871 gibt es die Paragrafen 218 und 219 und die Herrschenden halten mit Zähnen und Klauen daran fest. Der Hintergrund ist, dass sie eine Kontrolle über die Fortpflanzung erhalten wollen. Diese ist Bestandteil des Systems der besonderen Ausbeutung und Unterdrückung der Masse der Frauen im Kapitalismus und „zielt vor allem auf Schaffung und Erhalt menschlichen Lebens entsprechend den Erfordernissen des Ausbeutungs- und Unterdrückungssystems. Dies findet weltweit seinen Niederschlag in staatlichen Gesetzen, Verordnungen und Programmen.“2
Bis heute kriminalisiert der Paragraf 218 die selbständige Entscheidung einer Frau gegen die Austragung einer Schwangerschaft. Da Gesetze allein nicht reichen, setzt die bürgerliche Weltanschauung auf Tradition und Moral zur Unterdrückung der Frau, die besonders von den Kirchen verbreitet wird.
Frauenpolitischer "Fundamentalismus"?
Mit der Rechtsentwicklung der Regierungen wird eine reaktionäre Familienpolitik und Doppelmoral gefördert. So spricht die ultrareaktionäre, faschistoide AfD vom „Schutz des ungeborenen Lebens“, von „Willkommenskultur für Kinder“ und will "Abtreibungen" generell verbieten - fordert jedoch gleichzeitig finanzielle Einschränkungen für Alleinerziehende.
Teilweise wird in den bürgerlichen Medien der Protest gegen die Paragrafen 218 und 219 als "Fundamentalismus" diffamiert. Es ist aber völlig berechtigt, wenn die kämpferische Frauenbewegung sich hier nicht mit Minimalzugeständnissen zufrieden gibt.
Frauenbewegung will vorwärts - und nicht zurück
Weltweit gibt es einen Aufschwung des Frauenbewusstseins und der kämpferischen Frauenbewegung. Zum dritten weltweiten „Women's March“ am 19. Januar fanden 89 Frauenaktionen für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen für Frauen, gegen Sexismus und Frauenunterdrückung statt, viele davon in den USA. In Europa gab es Demonstrationen in London, Athen und Berlin.
Auch in Deutschland muss der Kampf für die komplette Aufhebung des Paragrafen 219a und der Paragrafen 218 und 219 insgesamt weitergehen. Der überparteiliche Frauenverband Courage schrieb dazu bereits am 19. Dezember: "Das Recht auf Selbstbestimmung über unseren Körper ist einer der ältesten Kampfabschnitte der Frauenbewegung. Da will die Frauenbewegung – weltweit – vorwärts und nicht zurück." (Gesamter Aufruf)
Sich konsequent organisieren
Martina Stalleicken, Frauenpolitische Sprecherin der MLPD, dazu: "Die MLPD fordert seit jeher das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und die ersatzlose Streichung des § 218/219! Sie verbindet das mit der Überzeugung und Ausbildung von immer mehr Frauen, sich konsequent zu organisieren für eine von Ausbeutung und Unterdrückung befreite Gesellschaft."
In Berlin wird der 8. März zum ersten Mal ein Feiertag sein. Herzlichen Glückwunsch! Die Frauenbewegung wird sich den kämpferischen Charakter dieses Tags dadurch nicht nehmen lassen. Überall sind schon Aktivitäten für die Vorbereitung eines kämpferischen Internationalen Frauentags im Gang, der sich dieses Jahr besonders in den gesamten Kampf gegen die Rechtsentwicklung der Regierung einreihen wird.