Europaweit
Massenproteste gegen die Rechtsentwicklung weiten sich aus
Europaweit verbreitern sich in den letzten Tagen und Wochen Aktionen gegen die Rechtsentwicklung der Regierungen und bürgerlichen Parteien, sicherlich auch beflügelt durch die Massenproteste in Deutschland und zuletzt der Bewegung „Gilets jaunes“ („Gelbe Westen“) in Frankreich.
Die Massenproteste in Deutschland und Frankreich waren bereits Höhepunkte eines europaweiten politischen Gärungsprozesses. Zehntausende demonstrierten im Sommer und Herbst gegen die Rechtsentwicklung der deutschen Regierung, die geplanten und beschlossenen neuen Landespolizeigesetze, die reaktionäre Flüchtlingspolitik, das Festhalten am Braunkohletagebau sowie die Verschärfung der Ausbeutung in den Betrieben. Fast eine Viertelmillion beteiligte sich an der "#unteilbar"-Demonstration am 13. Oktober in Berlin, zu der auch die Montagsdemo-Bewegung und das Internationalistische Bündnis aufgerufen hatten.
Bundes- und Landesregierungen gerieten zunehmend in die Defensive. Die Große Koalition musste den ultrareaktionären Scharfmacher Hans Georg Maaßen - Ex-Präsident des Inlandsgeheimdienstes "Verfassungschutz" - aus dem Verkehr ziehen. Angela Merkel verzichtete auf eine erneute Kandidatur zum CDU-Vorsitz, Horst Seehofer trat nicht mehr als CSU-Vorsitzender an.
Die MLPD konnte ihre gesellschaftliche Rolle in der Zusammenarbeit mit vielfältigen gesellschaftlichen Kräften deutlich ausbauen. Dagegen richtete sich der Versuch, die breiten Bündnisse mit Hilfe liquidatorischer Kräfte zu spalten (mehr dazu).
Von Italien bis Frankreich
Zeitgleich gab es in Italien einen Aufschwung von Protesten gegen die ultrareaktionäre Koalition aus "Fünf Sterne" und faschistoider Lega. Er entzündete sich vor allem an deren Flüchtlings- und Migrantenpolitik, richtete sich aber zunehmend auch gegen andere Bestandteile der Regierungspolitik.
Seit Wochen demonstrieren und blockieren nun in Frankreich Arbeiter, Bauern, Kleingewerbetreibende, Schüler und Studenten, die sich zur Bewegung der "Gelben Westen" zusammengeschlossen haben.
66.000 Menschen waren es erneut letzten Samstag in ganz Frankreich. Nachdem die Forderung nach dem Rücktritt von Präsident Emmanuel Macron immer mehr ins Zentrum rückte, musste dieser in zentralen Fragen wie der geplanten Spritsteuer-Erhöhung oder beim Mindestlohn deutliche Zugeständnisse machen (mehr dazu).
Von den Niederlanden bis Albanien
Doch auch in den Niederlanden, in Belgien, Polen, Österreich, Ungarn, Serbien und Albanien entwickeln sich breite Proteste gegen die reaktionären bis faschistoiden Regierungen. Meist stehen soziale Fragen im Mittelpunkt, zunehmend in Verbindung mit dem Kampf um bürgerlich-demokratische Rechte sowie gegen die gesamte Rechtsentwicklung.
In den Niederlanden gingen Hunderte bis Tausende ebenfalls in gelben Westen auf die Straßen und forderten den Rücktritt der Regierung von Ministerpräsident Mark Rutte. In der belgischen Hauptstadt Brüssel gab es Proteste am Rande des Europaviertels mit dem Sitz von EU-Kommission, EU-Rat und EU-Parlament gegen die EU-Politik. Zeitweise besetzten Demonstranten zwei Autobahnen.
50.000 demonstrierten in Österreich
In Österreich brachte das „Bündnis heißer Herbst“ am letzten Samstag 50.000 Menschen in der Hauptstadt Wien auf die Straße. Zu der Demo gegen „Rechtsruck, Rassismus und Sozialabbau“ hatten linke Organisationen und Gewerkschaften aufgerufen, aber auch die Sozialdemokratische Partei Österreichs und die österreichischen Grünen.
Gefordert wurde „Mindestlohn sichern, statt arm machen“, die Verhinderung eines österreichischen Hartz IV sowie der geplanten Verschärfung der Arbeitszeitgesetze. Mit im Zentrum der Proteste stand die reaktionäre Einwanderungspolitik.
In Kürze
- Europaweite Massenproteste gegen die Rechtsentwicklung der Regierungen
- Sie inspirieren sich gegenseitig - die ICOR arbeitet an ihrer bewussten Koordinierung und Revolutionierung
- Mitgliedsorganisationen bzw. Freunde der ICOR sind - wie in Deutschland, Ungarn und Frankreich - aktiv in den Protesten
Ungarn: Größte Protestwelle seit 2010
In Ungarn brachte das „Sklavengesetz“ der faschistoiden Orban-Regierung das Fass zum Überlaufen. Es entwickelte sich die größte Protestwelle seit der Regierungsübernahme durch die Fidesz-Partei unter Ministerpräsident Victor Orban im Jahr 2010. Das Gesetz ermöglicht den Kapitalisten, von ihren Beschäftigten bis zu 400 Überstunden pro Jahr zu verlangen, wofür der Ausgleich über drei Jahre gestreckt werden kann. In Budapest demonstrierten 15.000 Menschen, es war die vierte Kundgebung innerhalb von fünf Tagen.
Zugleich richten sich die Proteste gegen ein Gesetz, das für die neuen „Verwaltungsgerichte“ die direkte Aufsicht und Kontrolle durch den ungarischen Justizminister Laszlo Trocsanyi vorsieht. Damit wird die angebliche Unabhängigkeit der Justiz endgültig zur Farce.
MIKSZ wird den Arbeiterkämpfen mit allem, was in unserer Macht steht, helfen
Organisation der Gemeinschaft der Jugend (MIKSZ / ICOR-Mitgliedsorganisation)
Zu dieser Entwicklung erklärt die Organisation der Gemeinschaft der Jugend (MIKSZ), die Mitglied der Internationalen Koordinierung revolutionärer Parteien und Organisationen (ICOR) ist: „MIKSZ unterstützt die Arbeiter und Gewerkschaften bei ihren Protesten zur Bekämpfung des als 'Sklavengesetz' bekannt gewordenen neuen Arbeitsgesetzes. … MIKSZ wird den Arbeiterkämpfen mit allem, was in unserer Macht steht, helfen ...“
Wütende Proteste in Südosteuropa
Auch in Serbien und Albanien entwickeln sich landesweite Proteste. In der albanischen Hauptstadt Tirana gehen seit zehn Tagen Zehntausende Studentinnen und Studenten für ein bezahlbares Studium und gegen die weitverbreitete Korruption auf die Straßen. Mittlerweile schließen sich Demonstrantinnen und Demonstranten im ganzen Land an, wenden sich verstärkt auch gegen die hohen Lebensmittelpreise, gegen die hohen Spritpreise und anderes.
In Serbien demonstrierten die Menschen in Belgrad unter dem Motto: „Stoppt die blutigen Hemden!“ Zu lesen waren Plakate wie „Vucic – Dieb“. Das richtet sich gegen den serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic, der Polizeigewalt gegen seine Kritiker einsetzt und unter anderem den Vorsitzenden der Serbischen Linken, Borko Stefanovic, brutal attackieren ließ.
Während diese Kämpfe oft erbittert und mit großer Härte geführt werden, fehlt es ihnen noch an klarer Perspektive und am Bewusstsein, dass der eigentliche Hauptverursacher dieser ganzen volksfeindlichen Politik das imperialistische System ist. Das schafft Spielraum dafür, dass faschistoide und ultrareaktionäre Kräfte sie teilweise für ihre nationalistische Spaltung zu missbrauchen versuchen. Umso bedeutender ist die internationale Aufklärungskampagne der revolutionären Weltorganisation ICOR über den Imperialismus und die notwendigen Schlussfolgerungen für den gemeinsamen antiimperialistischen und gesellschaftsverändernden Kampf.
Revolutionäre Kräfte müssen stärker werden
Damit sich diese Bewegungen höherentwickeln, müssen sie sich klar von faschistoiden und faschistischen Kräften abgrenzen, feste Bündnisstrukturen aufbauen und ihren selbständigen Charakter bewahren bzw. ausbauen, statt ins Schlepptau bürgerlicher Parteien und Regierungen zu geraten. Der Aufbau und die Stärkung marxistisch-leninistischer Parteien in den verschiedenen europäischen Ländern ist dafür eine entscheidende Voraussetzung.
Die ICOR fördert den Aufbau revolutionärer Parteien in Wechselwirkung mit dem Zusammenschluss breiter Kräfte zu einer internationalen antiimperialistischen und antifaschistischen Einheitsfront. Ihre Mitgliedsorganisationen und Freunde sind in mehreren Ländern in den Protesten aktiv.