25. Jahrestag des Brandanschlags

25. Jahrestag des Brandanschlags

Solingen: Antifaschistische Demonstration durch antikommunistische Exzesse grob geschädigt!

Übermorgen, am 29. Mai 2018, jährt sich zum 25. Mal der faschistische Brandanschlag in Solingen von 1993. Dabei wurden fünf Mitglieder der Familie Genç ermordet, 17 zum Teil lebensgefährlich verletzt. Gerade heute, wo die Rechtsentwicklung der Bundesregierung Neofaschisten wieder erweiterten Spielraum verschafft, ist an diesem Jahrestag der antifaschistische Kampf herausgefordert.

Von gis
Solingen: Antifaschistische Demonstration durch antikommunistische Exzesse grob geschädigt!
Flagge zeigen! (Foto: Solingen aktiv)

Solingen war und ist eine Pionierstadt des antifaschistischen Kampfes. Diese Tradition geht nicht zuletzt maßgeblich auf den Mitbegründer und Vordenker der MLPD, Willi Dickhut, zurück. Dieser, während eines Bombenangriffs aus dem Gefängnis geflohen, kehrte kurz vor Kriegsende in seine Heimatstadt Solingen zurück. Das erforderte Todesmut. Die Faschisten ermordeten noch in den letzten Kriegstagen jeden, der sich für die bedingungslose Kapitulation einsetzte. Wesentlich auf Initiative von Willi Dickhut gelang es zu verhindern, dass Solingen noch in Schutt und Asche gelegt wurde. In den Jahren nach Kriegsende prägte er eine proletarische Aktionseinheitspolitik zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten. Nach dem faschistischen Brandanschlag 1993 entstand in Solingen eine breite antifaschistische Bewegung mit bundesweiter Ausstrahlung. Regelmäßig nahmen Tausende an den Jahrestagsdemonstrationen teil.

 

In diesem Jahr kommt dem Jahrestagsgedenken herausragende Bedeutung bei. Die AfD als Wegbereiterin des Faschismus wurde hochgepäppelt und faschistische und faschistoide Kräfte haben sich in der gesellschaftlichen Polarisierung gestärkt. Die Rechtsentwicklung der Regierung ist mit einer Tendenz der Faschisierung des Staatsapparates verbunden. Dafür stehen die neuen Polizeiaufgabengesetze, wie sie in Bayern schon entgegen aller Proteste durchgepeitscht wurden. Die geplanten „Ankerzentren“ zur Kasernierung der Flüchtlinge stehen für eine rassistische, faschistoide Politik. Und der Gipfel der Provokation: ausgerechnet der Außenminister der faschistischen Erdoganregierung, Mevlüt Çavuşoğlu, soll auf der Gedenkkundgebung am Dienstag sprechen.

 

Doch auch das  antifaschistische Bewusstsein, der Kampf um demokratische Rechte und Freiheiten hat sich im fortschrittlichen Stimmungsumschwung deutlich gestärkt und Erfolge erreicht – wie zuletzt auf dem Rebellischen Musikfestival am letzten Wochenende. Dies überall da, wo aktiv und kämpferisch, ohne antikommunistische Ausgrenzung mit MLPD und Rebell in der Aktionseinheit auf Augenhöhe vorbehaltlos zusammengearbeitet wurde – von Dresden über München bis Ellwangen und Truckenthal ...

Dominiergehabe schadete der Solinger Jahrestagsdemo

Dagegen sackte in diesem Jahr die Beteiligung bei der Solinger Jahrestagsdemo auf ca. 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer ab. Angekündigt waren für den gestrigen Samstag 5000! Was ist passiert?

 

Mehr und mehr dominieren und diktieren in den letzten Jahren rigoros antikommunistische Kräfte die Aktionseinheit. Namentlich Leute um Frank Knoche (früherer Kreisvorsitzender der DKP, heute Grüner) und Dietmar Gaida (beide für die grüne Liste im Rat der Stadt) verfolgen entschiedener den Ausschluss der MLPD als die antifaschistische Einheit. Auch anderen antifaschistischen und demokratischen Kräften wollen sie ihren Takt diktieren, man soll sich ihren Vorgaben beugen. Das gefiel vielen Menschen überhaupt nicht. So verlor die Demo deutlich an Attraktivität.

Flaggenverbot als Vorwand, die MLPD zu behindern

Die führenden Organisatoren der gestrigen Demo in Solingen organisieren ihren kleinbürgerlichen Führungsanspruch über die Prämisse, keine nationalen und politischen Fahnen zu tragen. Dies angeblich im Interesse eines stillen und würdevollen Gedenkens.

 

Das Flaggenverbot ist aus verschiedenen Gründen grundsätzlich abzulehnen: Erstens ist das Recht, demokratische Organisationen aufzubauen, sich in ihnen politisch zu betätigen und mit ihnen Flagge zu zeigen, ein über Jahrzehnte hart erkämpftes Recht der demokratischen, antifaschistischen und Arbeiterbewegung. In vielen Ländern der Welt haben Arbeiter, Antifaschisten und Revolutionäre dieses Recht nicht!

 

Zweitens ist die Einschränkung dieses Organisations- und Demonstrationsverbotes in der Regel das schmutzige Geschäft von Faschisten und ultrareaktionären Teilen des Staatsapparats. Ein türkischer Teilnehmer an der gestrigen Demo empört: "Da wundere ich mich nicht, dass die Polizei hier wenig macht. Die Veranstalter hier nehmen der Polizei ja die Arbeit ab!"

 

Drittens: Gerade in den letzten Monaten entbrannten ständig reaktionäre Versuche der Kriminalisierung der Symbole des kurdischen und des palästinensischen Freiheitskampfs. Wenn jetzt Organisatoren einer antifaschistischen Aktionseinheit dazu auffordern, ohne Fahnen und Symbole zu demonstrieren, erledigen sie die Geschäfte des Staatsapparats.

 

Viertens hat die Bevölkerung jederzeit das Recht zu wissen, wer da demonstriert – und wer nicht. Es gehört zur grundsätzlichen politischen Lauterkeit, offen und überprüfbar gegenüber der Masse der Bevölkerung aufzutreten, nicht zuletzt auch selbstbewusst mit der gewonnenen antifaschistischen Breite.

 

Und prompt scheiterten die Zensoren gleich zu Beginn: fast alle Organisationen kamen stolz mit ihren Fahnen: Antifaschisten, Jugendorganisationen, Vereine, Frauen, Migrantenorganisationen wie DIDF, Solingen Aktiv, der Frauenverband Courage und andere, darunter antifaschistische Gruppen aus der Region.

 

Flugs modifizierten die Zensoren das Verbot: Nur Parteien dürfen keine Fahnen tragen. Dumm gelaufen, es kam noch eine türkische Partei mit Flagge. Neue Richtlinie: Nur Parteien, die schon mal an Wahlen teilgenommen haben, dürfen keine Fahnen tragen! Da blieb dann nur noch die MLPD übrig. Und die ließ sich natürlich das Tragen ihrer zwei Parteifahnen nicht verbieten.

 

Zwei Parteifahnen! Und die mussten für das lächerliche Argument herhalten, die MLPD wolle die Demonstration dominieren. Tatsächlich hätte ohne die völlig unwürdige Eskalation durch die antikommunistischen Kräfte die MLPD friedlich, mittendrin und gleichberechtigt mitdemonstriert.

MLPD, Internationalistisches Bündnis und andere fortschrittliche Kräfte lassen sich nicht provozieren und nicht den Mund verbieten

Konsequent wandten sich die Vertreterinnen und Vertreter der MLPD und des Internationalistischen Bündnisses an die Bevölkerung. Sie führten zahlreiche Gespräche, hielten antifaschistische und gegen die Rechtsentwicklung der Regierung gerichtete Redebeiträge am offenen Mikrofon, warben für den gemeinsamen Kampf und griffen AfD und Faschisten ebenso wie den geplanten Auftritt von Erdogans Außenminister an.

 

Jörn Potthoff, Solinger Stadtrat für SOLINGEN AKTIV, prangerte am offenen Mikrofon den Überfall der faschistischen Erdogan-Regierung in die autonomen Kurdengebiete in Nordsyrien an und fragte, wer dieser Opfer gedenkt, die im türkischen Bombenhagel ums Leben kommen? Der Einmarsch der türkischen Armee ist genauso ein faschistischer Angriff auf das kurdische Volk wie die Übergriffe heute auf die Flüchtlingsheime in Deutschland. Scharf verurteilte er das Rederecht des türkischen Außenministers Mevlüt Çavuşoğlu bei der Gedenkfeier der Familie Genc und der Stadt Solingen am 29.05.2018 am Mahnmal für die Opfer.

 

Ein Korrespondent berichtet: "Mit unserem Aufreten erreichten wir jeden Demoteilnehmer sowie bis zu 2.000 Solinger im Umkreis. Ergebnisse waren: 1.300 Flugblätter verbreitet, 300 Aufrufe des Aktionsbündnis gegen den Auftritt von Çavuşoğlu. Dafür wurden viele Unterstützer gewonnen, kein einziger Teilnehmer hat sich für seinen Auftritt ausgesprochen, viele wollen den Protest als Einzelperson unterstützen. Wir haben zahlreiche Exemplare des Rote Fahne Magazins verkauft, das Programm der MLPD und viele Broschüren über das Wesen der AfD eingesetzt. Am Internationalistischen Bündnis gab es großes Interesse. Bei ehrlichen Antifaschisten ist es immer wieder gelungen, die Auseinandersetzung auf den gemeinsamen Kampf gegen den Faschismus und die Rechtsentwicklung der Regierung zu beziehen und es gab viel Ärger um das Theater, das die Ausgrenzer immer wieder veranstalten."

 

Angesichts dieses Selbstbewusstseins und des Zuspruchs drehten die Zensoren der Demo regelrecht durch. Knoche und Gaida, gestützt auf ca. 80 landesweit angereiste "Antideutsche" entfachten Psychoterror, körperliche Attacken, versuchte Behinderungen und Sprechchöre gegen die MLPD, veranstalteten einen regelrechten Exzess des Antikommunismus und des Liquidatorentums.

 

Vertreter von Solingen Aktiv wie Stadtrat Jörn Potthoff, der MLPD und des REBELL, voran die Parteivorsitzende Gabi Fechtner, wurden beschimpft und sollten am Reden und Auftreten gehindert werden. "Halt die Fresse", wurden Leute angeherrscht, die diskutierten. Verteiler des Flugblatts der MLPD wurden angeschrieen "Packt eure Scheiße ein".

Peter Römmele, Landesvorsitzender der MLPD NRW, positioniert sich:

„Der antifaschistische Kampf braucht den überparteilichen Zusammenschluss aller ehrlich antifaschistischen Kräfte, von bürgerlichen Antifaschisten bis hin zu Revolutionären. Zu einer bisher nicht gekannten antikommunistischen Entgleisung kam es demgegenüber auf dem gemeinsamen Rückweg von der Unteren Wernerstraße zum Neumarkt.

 

Als wir unseren Lautsprecher noch mal für Kurzreden, Lieder, Parolen und Offenes Mikrofon nutzten (der Veranstaltungslautsprecher war längst abgeschaltet), wurden wir massiv attackiert durch Versperren des Weges und Sprechchöre einer Gruppe von Antideutschen. Während der Rede unserer Parteivorsitzenden skandierten sie Sprechchöre „Halt die Fresse“, schrien wüsten Beschimpfungen und zeigten ihr und anderen Beteiligten den ausgestreckten Mittelfinger.

 

Gabi Fechtner (40) ist seit 30 Jahren in der Solinger antifaschistischen Bewegung verwurzelt und aktiv. Schon als Kind jährlich beim Gedenken am Wenzelnberg, in der AG Weiße Rose an der Geschwister-Scholl-Gesamtschule, im Solinger Appell und zuletzt als Stadträtin von Solingen. Die MLPD wird diese Exzesse des Antikommunismus feigen Ausschreitungen gegen ihre Mitglieder und ihre Vorsitzende natürlich nicht auf sich beruhen lassen. Wir fordern eine Aktionseinheit auf der Basis von Demokratie und Gleichberechtigung.“

Knoche und Gaida sind aufgefordert, sich zu distanzieren

Mit dem Anspruch "stilles Gedenken" fortschrittliche Symbole und Flaggen verbieten wollen, und dann grölen Gruppen von "Antideutschen" mit "Halt die Fresse" durch die Solinger Fußgängerzone, wo die Menschen in Eiscafés sitzen, die Sonne genießen ... Eine Demo-Teilnehmerin: "Diesen Leuten geht es doch überhaupt nicht um den eigentlichen Anlass der Demo!"

 

Knoche und Gaida griffen nicht ein, ließen dem würdelosen Treiben freien Lauf. Wenn sie noch einen Funken von Anstand im Leib haben, distanzieren sie sich umgehend öffentlich davon!

 

Absurd ist die Mischung aus ihrer scheinbar linken volksnahen Gesinnung und der brav-bürgerlichen Politik, die sie im Solinger Stadtrat machen. Seit Jahren haben sie keinen Antrag von Solingen Aktiv zum Wohle der Bevölkerung unterstützt. Beide bekleiden eine Vielzahl von Ämtern, darunter in Aufsichtsräten und verschiedenen Gremien.

"Wir sehen uns am Dienstag"

Das Internationalistische Bündnis, MLPD, Rebell und kämpferische Opposion sind gestärkt aus der gestrigen Aktion hervorgegangen. Viele Teilnehmer und Passanten ist nun der Dienstag, der eigentliche Jahrestag, ein großes Anliegen. Jetzt erst Recht zum würdigen antifaschistischen Gedenken, verbunden mit dem Protest gegen den Auftritt von Çavuşoğlu.

 

„Wir sehn uns am Dienstag“ verabschiedeten sich viele.