Berlin
Internationalistisch für den Sozialismus - lebendig auf der LLL-Demonstration in Berlin
Die heutige Demonstration mit 12.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern – 2.000 mehr als im letzten Jahr – zum Gedenken an die Revolutionäre Wladimir Iljitsch Lenin, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht war geprägt von einer kämpferischen und revolutionären Stimmung.
An jeder Ecke hörte man revolutionäre Lieder. Die Demonstration zeigte das große revolutionäre Potenzial, aber auch eine noch bestehende Zersplitterung. Die DKP war mit einem Block vertreten, Linkspartei und deren Kommunistische Plattform, viele ausländische revolutionäre Organisationen, Migranten-Organisationen wie die ATIF oder ADHK, Blöcke von autonomen Jugendlichen, dazwischen auch immer wieder Fahnen von Gewerkschaften, kurdische und palästinensische Flaggen, Transparente von Initiativen, viele Antifaschisten und Frauengruppen - ein großes Aufgebot der revolutionären Bewegung.
Internationalistischer Block
Direkt am Anfang präsentierte sich der Internationalistische Block, zu dem der Jugendverband der MLPD, der REBELL, sowie die Antikapitalistische Aktion Bonn (AKAB) vom Internationalistischen Bündnis aufgerufen hatten. Er war mit rund 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern deutlich gewachsen gegenüber dem Vorjahr. „Hier haben sich revolutionäre und klassenkämpferische Kräfte zusammengeschlossen. Deshalb sind Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg für viele von uns Vorbilder“, so Franziska vom Jugendverband REBELL.
Der Block war laut, kämpferisch und zukunftsgewandt. Aber auch geordnet und diszipliniert - im Gegensatz zu manch anderem Block, in dem es drunter und drüber ging. An der Spitze des Internationalistischen Blocks Fahnenträger der Bündnis-Organisationen, dann hinter dem Lautsprecherwagen zwei Reihen mit internationalen Gästen, ICOR-Vertretern, Vertretern aus dem Iran, aus Syrien und Afghanistan. Sie nahmen auch Gabi Fechtner, die Vorsitzende der MLPD, in ihre Mitte. Immer wieder reihten sich Passanten ein.
In Kürze
- Europas größte Demonstration für den Sozialismus
- Angesichts des Rechtsrucks der Regierungen müssen die linken Kräfte besser zusammenarbeiten
- Stärkung von MLPD, REBELL und ICOR entscheidend
Von der Kommunistisk Parti aus Dänemark war zu erfahren: „Wir denken, die Erfahrungen von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht sind sehr wichtig für heute, weil der Kampf für die Revolution immer noch eine Frage ist. Heute ist es wichtig, für Frieden und gegen Imperialismus zu kämpfen.“ Revolutionäre aus Island suchten und fanden den Kontakt zur revolutionären Weltorganisation ICOR. Aus Schottland war die Communist Party of Britain dabei: „Weil das die wichtigste Demonstration der Linken Europas ist, wollen wir hier Flagge zeigen“, so ihre Vertreterin.
Aufruf stellt berechtigte Fragen
Der offizielle Aufruf zur Demonstration, der auch von der MLPD unterstützt wurde, stellt berechtigte Fragen: „Diejenigen, die aus Profitgründen die Welt ins Chaos stürzen, quatschen demagogisch von den Werten, die 'wir – der Westen – uns nicht nehmen lassen'. Ist Ausbeutung ein Wert? Sozialabbau ein Wert? Flächendeckende Überwachung ein Wert? Sind Asylpakete und Abschiebungen ein Wert? Ist Kapitalismus eine Wertegemeinschaft auch für die, die ihre Arbeitskraft zunehmend unter Wert verkaufen müssen? Und wie sollen wir die beinahe weltweiten Faschisierungstendenzen bewerten?“
Demo gegen Behinderungen durchgesetzt
Nicht zum ersten Mal musste sich die Demonstration gegen Behinderungen durchsetzen. Wurde sie im Jahr 2000 noch unter einem Vorwand verboten, so mussten dieses Mal Info-, Verkaufs- und Verpflegungsstände durchgekämpft werden. Ausdruck des Rechtsrucks der Regierung ist zudem, dass es in diesem Jahr wieder zu Provokationen durch die Polizei kam. Am Treffpunkt wurden Teilnehmerinnen und Teilnehmer von der Polizei willkürlich herausgegriffen und einer Taschenkontrolle unterzogen. Weil irgendwo eine Fahne mit dem Bild des inhaftierten PKK-Vorsitzenden Öcalan oder Symbole der in Deutschland verbotenen PKK sichtbar waren, griff die Polizei massiv ein, verhaftete zeitweise auch eine Genossin des Jugendverband REBELL.
Wir brauchen eine geeignete Organisationsform
250 feste Teilnehmerinnen und Teilnehmer zählte die Schlusskundgebung der MLPD und anderer Kräfte auf dem Vorplatz der Gedenkstätte der Sozialisten in Friedrichsfelde, Hunderte weitere hörten länger zu. Gabi Fechtner (MLPD) erklärte - gerade angesichts der heutigen Demonstration mit vielen, vielen Organisationen und Gruppen mit revolutionärem Anspruch - die Notwendigkeit, geeignete Organisationsformen zu finden, um sich zusammenzuschließen: gegen den Rechtsruck der Regierung.
Das Internationalistische Bündnis ist dafür geeignet. Es ermöglicht die Zusammenarbeit in den Fragen, in denen man sich einig ist. Gleichzeitig können die Teilnehmer auch ihre besonderen Anliegen und Merkmale einbringen. Schritt für Schritt können dabei Widersprüche und Differenzen ausgetragen und überwunden werden.
Zudem sprach sie für die Stärkung der revolutionären Arbeiterpartei MLPD. Es war das große Unglück der Novemberrevolution, dass die KPD noch nicht gegründet war. "Ich halte nichts von dem ganzen postmodernistischem Getue", so die MLPD-Vorsitzende, "das die Arbeiterklasse und ihre Rolle geringschätzt. Sie ist nach wie vor die Kraft, die zu Zehntausenden dem alleinherrschenden internationalen Finanzkapital in den Machtzentren der Monopolbetriebe gegenüber steht."
Die Revolution ist das Zukunftsprojekt!
Gabi Fechtner, MLPD
"Wir demonstrieren heute nicht nur, um zu gedenken, sondern weil dem echten Sozialismus die Zukunft gehört", so Gabi Fechtner.
Angeregte Diskussionen
Heftige Diskussion in einer Gruppe von Zuhörern. "Die Frau hat Recht!" "Nein", widersprechen andere, "die ist von der MLPD." "Sie hat trotzdem recht", beharrt das ältere Ehepaar aus Neubrandenburg. Gerne kaufen sie ein Rote Fahne Magazin, das ihnen angeboten wird, denn "darin ist ein Interview mit der jungen Frau, die gerade gesprochen hat." Und sie tragen sich in die Liste ein, um mitzuarbeiten im Internationalistischen Bündnis. So ging es heute vielen Aktivisten, die das Rote Fahne Magazin anboten und besonders die Broschüre "Über die Herausbildung der neuimperialistischen Länder" - in fünf Sprachen.
Es gab große Aufgeschlossenheit und Interesse auf der einen Seite, aber auch eine Strömung ausgesprochen herablassender Teilnehmer, die sich jeder Diskussion entzogen. Einzelne, die aggressiv ablehnten. Vor allem aus dem Lager der Putin-Unterstützer. Oft spielte die Stalinfrage eine Rolle. Einer, der letztes Jahr das MLPD-Programm mitgenommen hatte, wollte dieses Jahr nichts mehr von der MLPD wissen, weil sie "Stalin verteidigt".
Sein Begleiter kritisierte diesen Standpunkt: "Ich bin es leid, dauernd über Stalin zu diskutieren. Gibt es keine konstruktiven Fragen zu klären." Zweifellos muss über die Stalin-Frage weiter zum Thema gemacht werden, aber eben nicht, um die Diskussion und Auseinandersetzung zu beenden. Dann hätte der moderne Antikommunismus sein Ziel erreicht.
Internationalistisches Bündnis entwickelt Anziehungskraft
Aufgeschlossenheit und Polarisierung, darüber berichteten viele der Genossinnen und Genossen, die heute für die MLPD im Einsatz waren oder für das Internationalistische Bündnisse warben. Sie verkauften - nach bisher vorliegenden Zahlen - 68 Rote Fahne Magazine, 123 Broschüren über die neuimperialistischen Länder, warben Abonnenten und vertrieben MLPD-Literatur. Besonders das Internationalistische Bündnis entwickelt wachsende Anziehungskraft - 254 Menschen trugen sich heute in die Listen ein - darunter einige aus dem Bereich der Kommunistischen Plattform, aber auch andere Linkspartei-Anhänger und parteilose Menschen.
Weitere Rednerinnen und Redner der Kundgebung, immer wieder unterbrochen von Beifall und kämpferischen Liedern, kamen vom Jugendverband REBELL, vom Demokratischen Komitee Palästina, vom Linken Forum, vom Frauenverband Courage, von AKAB, von der Umweltgewerkschaft. Außerdem sprachen Vertreter der Stahlarbeiter und der Siemens-Belegschaften, die für ihre Arbeitsplätze kämpfen, sowie ein Milchbauer, der sich gegen den weiteren Einsatz von Glyphosat aussprach und die Kampfeinheit von Arbeitern und Bauern herausstellte.
Auch die ICOR war mit Teilnehmern unter anderem aus Deutschland, Venezuela, Kolumbien und Russland vertreten. Außerdem viele Flüchtlinge aus aller Herren Länder. Ein afghanischer Freund nutzte heute die Gelegenheit, seine Mitgliedschaft in der MLPD zu beantragen - knapp 20 weitere wollen sich diesen Schritt überlegen. Gut 160 Menschen besorgten sich heute das Parteiprogramm der MLPD.
Lehren aus der Novemberrevolution
Dieses Jahr ging es auch um die Lehren aus der Novemberrevolution 1918 in Deutschland. Am 9. November rief Karl Liebknecht vom Spartakusbund die sozialistische Räterepublik aus. Sie endete nicht siegreich, wenn auch die Monarchie abgeschafft wurde und der I. Weltkrieg sein Ende fand. Die Gründung der KPD am 31. Dezember 1918 und ihr Aufbau kamen für diese revolutionäre Erhebung zu spät. Die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am 15. Januar 1919 durch faschistische Freikorps mit Billigung der SPD-Führung besiegelte den Sieg der Konterrevolution.
Sozialistische Perspektive lebendig
Und heute? 112 Tage nach den Bundestagswahlen streitet die SPD mit CDU/CSU weiter darum , wie sie eine Neuauflage der Großen Koalition im Interesse des internationalen Finanzkapitals hinbekommt, ohne ihre Massenbasis gänzlich zu verlieren. Gleichzeitig wurde auf der Demonstration der Wunsch nach einer ganz anderen, einer sozialistischen Perspektive, lebendig.
Internationalistischer Kulturabend
Das war auch Thema auf dem gestrigen Internationalistischen Kulturabend in Berlin-Moabit mit 240 Besucherinnen und Besuchern, den die Jugendplattform des Internationalistischen Bündnisses organisiert hatte. Anna Vöhringer vom Jugendverband REBELL und Nils Jansen von AKAB stimmten in ihrer mitreißenden Rede darauf ein, die Zukunftsvisionen einer befreiten Gesellschaft am nächsten Tag auf die Straße zu tragen.
Gäste aus Argentinien, Kolumbien, Venezuela und Russland machten in ihren Grußworten die internationale Solidarität gegen den Imperialismus und für das Vorbild der sozialistischen Oktoberrevolution lebendig.
Lisa Gärtner von der MLPD hob die Notwendigkeit der Organisiertheit der Jugend hervor und dass sie mit der verbreiteten kleinbürgerlich-antikommunistischen Denkweise fertig werden muss. Es dürfe nicht wieder geschehen, dass eine revolutionäre Situation nicht erfolgreich genutzt werden kann, weil die Führung durch eine revolutionäre Partei zu schwach ist. Dazu sei es wichtig, dass die Jugend in die Großbetriebe geht und sich mit der Arbeiterbewegung verbindet.