Mit zunehmenden Protesten auf der Straße antworten die Menschen in der Demokratischen Republik Kongo auf die politische Lage in ihrem Land – vorne dran die Jugend. Ein Marxist-Leninist aus dem Kongo berichtet darüber an Rote Fahne News.

Von einem Marxisten-Leninisten aus dem Kongo
Die Jugendbewegung erwacht
Frauenprotest vor der US-Botschaft in Kinshasa (Foto: RF)

Die vermehrten Proteste auf der Straße, insbesondere der Jugend, sind die hauptsächliche Antwort der Kongolesen auf die politische Lage. Der Staatsapparat reagiert bei öffentlichen Demonstrationen mit Waffengewalt und Verhaftungen mit juristischen Schnellverfahren.

Inoffizieller Belagerungszustand

Die Zahl der Todesopfer wird hartnäckig vertuscht. Die Armee wird auch für Polizeidienste eingesetzt. Die Gefängnisse sind überfüllt, Meutereien und Ausbrüche an der Tagesordnung. Seit zwei Jahren lebt das Land in einer Art inoffiziellem Belagerungszustand.

Militärs transportieren Gefangene im Lkw (Foto: RF)
Militärs transportieren Gefangene im Lkw (Foto: RF)

In Kürze:

  • Das Land ist den Interessen der multinationalen Konzerne überlassen
  • Staatsapparat geht mit Waffengewalt und Verhaftungen gegen Demonstrationen vor
  • Unter der Jugend wird Ideologie des Individualismus zunehmend überwunden

Anfang August hatte die Opposition einen Generalstreik ausgerufen, da ist ununterbrochen Blut geflossen. In Kinshasa und der Provinz Kongo Zentral (Bas-Kongo) hat man mindestens 30 von der Polizei getötete Menschen gezählt.

Massaker an Bauern

Bis heute sind die Beschränkungsmaßnahmen der Regierung zum Internet in Kraft. So sollen die breiten Massen (über den Umweg der sozialen Medien) nichts erfahren über das Ansteigen der Opfer der Unterdrückung.

 

Gleichzeitig vergeht keine Woche ohne Meldungen über Massaker an Bauern durch bewaffnete Gruppen und/oder die kongolesische Armee (FARDC) in den Provinzen Kivu, Katanga oder dem Kasaï.

Allgegenwärtige Armut

Die Protestbewegungen verlangen Demokratie. Die Regierung ist in keinem einzigen Bereich des öffentlichen Lebens als organisierende und verantwortungsbewusste Kraft zu spüren. Es herrscht chronische Gewalt, systematische Plünderung unserer Ressourcen und allgegenwärtige Armut.

 

Das Land ist den obskuren Interessen der multinationalen Konzerne überlassen. Darum hält die Mehrheit der Bevölkerung die herrschenden Politiker für inkompetent und akzeptiert ihre Versuche nicht, sich an die Macht zu klammern. Auch die verschiedenen Großmächte mit ihrer UNO-Mission von fast 20.000 Mann regeln diese Probleme nicht.

Rapide Geldentwertung

Außerdem erleben wir eine rapide Geldentwertung. Seit März 2017 hat der Kongolesische Franc (FC) 50 Prozent an Wert verloren. In der Geschichte des kongolesischen Geldes hat es schon öfter Tragödien gegeben, vor allem unter dem Mobutu-Regime (1963-97).

 

Damals verloren die Einwohner aus einfachen Verhältnissen regelmäßig ihr Hab und Gut. Man erlebte stündlich Geldabwertungen und Preissteigerungen von Grundbedarfsgütern. Der Einkauf für den täglichen Bedarf musste in Milliarden Zaires bezahlt werden, die man in großen Tüten mitnehmen musste.

 

Nach dem Sturz Mobutus sollte vergessen gemacht werden, dass die Währung nur dazu diente, die Bewohner durch einen verantwortungslosen Staat zu betrügen. Man muss aber befürchten, dass sich dieses Drama wiederholt, wenn man sieht, was derzeit passiert.

 

Von 2011 bis 2014 hatten wir eine gewisse Stabilität des FC sowie einen Inflationsrückgang. Das erklärt sich damit, dass es einen Boom für Rohstoffe (Mineralien) gab, und Programme des IWF zur Schulden-Entlastung. Aber in dieser Zeit hat die Regierung nichts unternommen, um Reserven aufzubauen, die sie später einmal brauchen könnte.

 

Wegen des instabilen politischen Klimas hält die Wirtschaft jetzt ihre Devisen lieber zurück. Die Regierung druckt mehr Geld zur Finanzierung ihrer Ausgaben - einschließlich der Finanzierung der Korruption.

Totale Dollarabhängigkeit

Davon abgesehen haben wir ein Strukturproblem: Der Kongo produziert nur Rohstoffe für das Ausland, muss alle Bedarfsgüter einführen und ist total vom Dollar abhängig. So kann er nie eine stabile Währung aufbauen. Diese Situation drückt hunderttausende Menschen an den Rand der Existenz.

 

Es gibt zwar keine verlässliche Landesstatistik, aber in diesen Tagen wird sichtbar, dass immer mehr Menschen sterben: Die Leichenhallen unserer Hauptstadt Kinshasa sind oft überfüllt, wie in Kriegszeiten.

Obdachlose flüchten in die Kirchen

Auch wer Arbeit hat, ist existenziell bedroht. Die Gehälter werden weiter in FC ausgezahlt, Die Vermieter verlangen Dollars. Ein Grundschullehrer bekam 2011 für seine 70.000 FC an Gehalt 77 US-Dollar, heute nur noch 35 bis 47 Dollar. Die Miete für ein Zimmer liegt bei 50 bis 60 Dollar. Was bleibt da für Essen, Medizin, Schulsachen für die Kinder?!

 

In Kinshasa haben immer mehr Menschen kein Dach über dem Kopf, auch solche mit einem Job, und flüchten sich in die Kirchen. Sie können die Mietkaution nicht zusammenbekommen oder die monatliche Miete. Die Mehrzahl davon sind Frauen. Viele sind in absoluter Armut.

Die Jugendbewegung erwacht

Derzeit ist das ein Phänomen in fast ganz Afrika. Die afrikanische Jugend will an ihre Tradition der 1950er und 1960er Jahre anknüpfen. Die Zeit des kämpferischen Panafrikanismus, wo die afrikanischen Völker eine praktische Solidarität entfalteten, um die Last der Kolonialisierung abzuschütteln.

 

Die fortschrittliche kongolesische Jugend unter der Führung von Lumumba hatte damals die Kühnheit und den Mut, nonstop vom Kampf gegen den Kolonialismus zum Kampf gegen den Neokolonialismus überzugehen. Heute sind wir jedoch noch nicht soweit. Die Forderungen des 21. Jahrhunderts sind noch etwas ungeordnet.

Periode des politischen Desinteresses überwunden

Wie überall auf der Welt, hat die Jugend im Kongo vorrangig altersbezogene Sorgen: eine gute Ausbildung, ein Job mit angemessener Bezahlung und kulturelle Freizeit-Möglichkeiten.

 

Zusätzlich ist unsere Jugend konfrontiert mit anderen, existenziellen Sorgen bis hin zum biologischen Überleben. Deshalb ist bei ihnen nicht nur Fußball Thema, sondern auch, wie das Land aus dem Loch herauskommen kann.

 

Wir lassen gerade die Periode des politischen Desinteresses der Jugend hinter uns. Eine Periode, in der die Ideologie des Individualismus vorherrschte: Du kannst dir nur über individuelle Stärken dein persönliches Paradies aufbauen.

Kongo hat gute Voraussetzungen

Das wurde gefördert durch Sekten und Religionen, die den göttlichen Segen beschwören, der Wunder bewirken soll. Nicht zu vergessen: der Ansturm der mächtigen US-Kultur, vor allem über Kinofilme, die der Jugend der Dritten Welt ein paradiesisches Leben in den Städten des Westens ausmalen.

 

All diese Illusionen zerplatzen gerade. Die Jugend kehrt zu der Einsicht zurück, dass das Erreichen von Glück ein Gemeinschaftswerk sein muss. Dazu hat der Kongo gute Voraussetzungen: Wir haben riesige Naturressourcen über und unter der Erde und enorme humane Ressourcen, das Durchschnittsalter ist 35 Jahre.

Revolutionäre müssen Chancen ergreifen

Es ist die Aufgabe der Fortschrittskräfte und Revolutionäre dieses Landes, die Chance zu ergreifen, neue Generationen von revolutionären Kämpfern auszubilden, um das Land vom Joch des Imperialismus zu befreien.

 

(Foto Startseite: Foto Jbdodane CC BY-NC 2.0)